Wer
glaubt, dass in den letzten Jahren nicht mehr so viele Menschen
verschwinden, den muss ich enttäuschen. Alleine in den letzten vier
Jahren sind mehr als 20.000 Personen als vermisst gemeldet worden und
nicht wieder aufgetaucht. Selbst die Regierungsvertreter sprechen in
diesem Zusammenhang von einem großen Versagen und einer Mitschuld
der staatlichen Institutionen.
Exakte
Zahlen kann ich für das erste Regierungsjahr des linken Präsidenten
Andres Manuel Lopez Obrador liefern. Er hat sein Amt im Dezember 2018
angetreten und seither gelten 5.184 Personen als vermisst. Aus 873
entdeckten, weil versteckten Gräbern, wurden die Leichname von 1.124
Menschen geborgen. 325
von ihnen konnten bisher identifiziert werden. In Mexiko herrscht
besonders in den Bundesstaaten Sinaloa, Colima, Veracruz, Sonora und
Jalisco, seit Jahren ein heftiger Drogenkrieg und genau dort wurden
die meisten menschlichen Überreste entdeckt.
Alejandro
Encinas Rodriguez ist der Staatssekretär für Menschenrechte,
Migration und Bevölkerung. Gemeinsam
mit Karla Quintana, der Nationalen Kommissarin für Personensuche,
hat er als Vertreter der mexikanischen Regierung den aktuellen
Bericht vorgestellt. Der
Bericht inkludiert die Daten aus 21 der 32 mexikanischen
Bundesstaaten. Die restlichen elf sind noch dabei die Daten
„zusammenzutragen“ und zu systematisieren. Der
Staatssekretär spricht in diesem Zusammenhang vom bisherigen Mangel
an politischem Willen die aktuelle Situation in Mexiko zu ändern.
Von der Notwendigkeit waren wohl schon viele Minister und
Staatssekretäre überzeugt, aber der Wille diese Situation zu
ändern, hat auch mit einem enormen Mut zu tun und entspricht in etwa
jener der italienischen Mafiajäger der 80iger und 90iger Jahre. Bis
zum heutigen Tag unvergessen ist der Jurist und Untersuchungsrichter
Giovanni Falcone, welcher durch ein Bombenattentat am 23. Mai 1992
aus dem Leben gerissen wurde. Am 19. Juli 1992 wurde auch sein
Kollege und engster Vertrauter (er kannte ihn bereits als Kind und
wuchs mit ihm auf), Paolo Borsellino sein Leben bei einem
Sprengstoffanschlag aushauchen.
Es
ist daher nicht verwunderlich, dass viele Vorgängerregierungen das
Problem der vermissten Personen nicht sichtbar machen wollten.
Alejandro Encinas hat in einem Interview mit der Zeitung El Pais
betont, dass die Staatsorgane eine Mitschuld an Gewalt und
Kriminalität im Land tragen: „Ich
nehme an, dass ein großer Teil dieser Gewalt von staatlichen
Stellen, von Staatsangestellten, verursacht wird, von denen viele mit
kriminellen Gruppen kooperieren. Behörden würden dabei helfen, ein
Klima der Intoleranz gegenüber Menschenrechtsverteidigern und
Journalisten in vielen Regionen zu schaffen.“
Ein Beispiel,
welches weltweite Bekanntheit erlangte ist jener Fall der 43
vermissten Studenten aus Avotzinapa. Die Männer waren
Teil einer Gruppe, welche am 26. September
2014 auf dem Weg zu einer Demonstration von örtlichen Polizeibeamten
aufgehalten wurden. Was danach folgte, ist für unser Denkvermögen
schwer vorstellbar. Sechs Studenten wurde an Ort und Stelle von den
Polizisten erschossen und zahlreiche Personen festgenommen. 43 Studenten wurden
an Angehörige des Drogenkartells Guerreros Unidos übergeben. Von
ihnen fehlt bis zum heutigen Tag jegliche Spur.
Am 24.
Jänner 2015 berichtete die Zeitung Milenio unter Berufung auf Vernehmungsprotokolle, dass der als „El Cepillo“ bekannte
Auftragskiller die Ermordung von mindestens 15 Studenten gestanden
habe. Die Studenten seien ihm von einigen Polizeichefs lebend
übergeben worden und er habe sie dann gemeinsam mit Komplizen
erschossen. Mindestens 25 starben nach seiner Aussage an Erstickung.
Auch andere Mitglieder des Drogenkartells haben die Ermordung und
Verbrennung der Studenten zugegeben.
Der unfassbare
Skandal weitete sich aus, als ein Richter im September des
vergangenen Jahres entschieden hat die 24 Verdächtigen,
noch während der laufenden Ermittlungen, aus dem Gefängnis zu
entlassen. Mittlerweile sind bereits 77 von 142
mutmaßlichen Tätern aus der Haft entlassen worden.
Vor
kurzem hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission der
mexikanischen Regierung vorgeschlagen, die unabhängige
Expertenkommission erneut einzusetzen...
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