Die Regierung Modi hat
nicht nur mit einer stark steigenden Anzahl von Menschen zu kämpfe,
welche am Corona-Virus erkranken. Heute waren es z.B. 14.000 und
insgesamt sind in Indien bisher 395.000 Menschen vom Virus infiziert
worden und 12.948 daran gestorben. In Anbetracht der Größe des
Landes ist das nicht einmal besonders viel. Fakt ist allerdings, dass
man nicht in der Lage ist, die ungefähre Zahl der Erkrankten zu
schätzen. Das Gesundheitssystem des Landes ist ein Desaster und es
gibt, wie fast überall auf der Welt, viel zu wenige Tests. Ein
großes Problem ist zudem, dass jene Menschen, welche am Virus
erkranken und durch die Schwere des Verlaufs Spitalspflege brauchen,
auch nur annähernd eine adäquate Hilfe bekommen.
Premierminister Modi hat
sich seit seiner ersten Wahl, vor sechs Jahren, stets als Macher,
Reformer und Krisenmanager präsentiert. Er ist nichts davon. Jene
Bilder, welche wir gesehen haben, als zig Millionen von Tagelöhnern
die Großstädte verlassen haben, um aufgrund des Lockdowns in ihre
Heimatdörfer zurückzukehren und in endlosen Schlangen zu den
Bahnhöfen marschierten und dort in völlig überfüllten Zügen die
Heimreise antraten, werden noch lange in unser Gehirn eingebrannt
bleiben.
Alle diese Tagelöhner
haben von einem Tag zum anderen ihr Einkommen verloren und nichts
mehr zu essen. Das Wirtschaftssystem Indiens ist nicht prekär,
sondern ein Desaster. Die Regierung Modi war nicht einmal in der
Lage, die Heimreise der Tagelöhner, in halbwegs vernünftige Bahnen
zu lenken. Viele Menschen, welche sich die Heimfahrt mit dem Zug –
aus Angst vor einer Ansteckung – nicht antun wollten, oder mangels
Geldes nicht leisten konnten, machten sich zu Fuß auf den Weg in
ihre Heimat. Sie legen dabei oftmals mehr als 1.000 Kilometer zurück. Noch sind bei weitem nicht
alle Menschen in ihren Dörfern angekommen.
In Indien hat es schon
bisher viele Menschen gegeben, welche Hunger litten. Jetzt sind von
einem Tag zum anderen Millionen dazu gekommen welche nicht wissen,
wie sie sich morgen ernähren sollen.
Es klingt verlockend
großartig, dass es in Indien seit den 1990er Jahren jährliche
Wachstumsraten von 6 – 8% gibt. Es ist halt nur blöd, dass diese
nicht ausreichen, um jenen zwölf Millionen Menschen einen Job zu
ermöglichen, welche jedes Jahr neu auf den Arbeitsmarkt drängen.
Ratet mal, wer aber genau das versprochen hat.
Wer hat versprochen, dass
er mit Großprojekten wie „Make in India“, „Digital
India“, „Smart Cities“ und „Clean Ganga“
Indien in den Club der großen Industrieländer katapultiert und
jeder der zwölf Millionen Jugendlichen, welche jedes Jahr neu auf
den Arbeitsmarkt strömen, einen Job bekommen werden. Narendra Modi
und seine Partei BJP, sind nichts als Schaumschläger.
Laut indischer Verfassung
gibt es keine Kasten mehr. Das ist ein Wunschtraum. Sie existieren
weiterhin und teilen die indische Gesellschaft in arm und reich. Modi
verfolgt eine hindu-nationalistische Politik. Seine Ideologie hebt
die Größe und Einmaligkeit Indiens hervor und steht im Gegensatz zu
der idealistischen Vision eines säkularen Indiens, welche von Gandhi
und Nehru angestrebt wurden.
Seit Dezember 2019 gibt es
ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz für Migranten aus Afghanistan,
Bangladesch und Pakistan. Konkret geht es um Minderheiten wie Hindus,
Sikhs, Christen und Buddhisten, die bis 2014 nach Indien eingereist
sind und damit die indische Staatsbürgerschaft erhalten. Explizit ausgeschlossen
sind allerdings die Muslime, welche die Mehrheit der Migranten
stellen. Nach dem Gesetzesbeschluss kam es in vielen Städten Indiens
zu Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die
Spaltung der Gesellschaft hat zugenommen und die religiösen
Konflikte erreichen ungeahnte Höhen.
Ein weiterer Schritt in
die falsche Richtung „gelang“ der Regierung Modi im August
2019, als sie den Sonderstatus für die Region „Jammu und
Kaschmir“ aufhob. Sie entriss somit, dem mehrheitlich
muslimischen Bundesstaat die Autonomie. Seither sind „Jammu und
Kaschmir“ zwei seperate, von Delhi aus verwaltete Gebiete.
Damit sich die dort lebenden Menschen schnell an an die neue
Situation gewöhnen konnten, hat die indische Regierung damals
Maßnahmen ergriffen, welche den Lockdown in der Corona-Krise neidlos
erblassen lassen.
Es begann mit
Ausgangssperren, einer Zensur der Presse, der Abschaltung des
Internets, sowie unregelmäßigen Sperrungen der Telefonverbindungen.
Damit die Menschen gleich sehen wo es lang geht, hat man umgehend
tausende Journalisten und Oppositionspolitiker eingesperrt.
Verständlich, dass die Menschen ob dieser Maßnahmen nicht sehr
begeistert waren und sich dennoch auf den Straßen zu Demonstrationen
versammelten. Diese blieben nicht friedvoll und es kam zu
gewalttätigen Unruhen. Dies ermöglichte wiederum der Regierung Modi
seine Armee im Einsatz gegen die eigene Bevölkerung zu testen.
Nicht nur im eigenen Land
kommt es zu zahlreichen Konflikten, auch mit dem Nachbarn China gerät
die Lage zunehmend außer Kontrolle. Von den zahlreichen
Zwischenfällen mit Pakistan, weiß man ja seit Jahrzehnten Bescheid.
Das Verhältnis zu China
artet derzeit in eine nicht enden wollende Konkurrenzsituation aus.
Es findet ein Wettrüsten zwischen den beiden asiatischen Großmächten
statt, welche vor wenigen Tagen, erstmals seit 1975, auch mit
mindestens zwanzig Toten an der Himalaya-Grenze ihren vorläufigen,
negativen Höhepunkt findet.
Der Kampfverlauf war laut
der Darstellung indischer Medien folgendermaßen:
Indische Soldaten hatten
in Galwan Valley ein Zeltlager geräumt, welches von den Chinesen auf
indischer Seite errichtet wurde. Kurze Zeit später sind indische
Soldaten bei einer Patrouille auf einhundert chinesische Soldaten
gestoßen. Es sei zu einem Handgemenge gekommen, wobei die Soldaten
mit Steinen und Stöcken kämpften, welche mit Nägel und
Stacheldraht bestückt waren. Der Showdown habe bei einem Abgrund
stattgefunden, über den zahlreiche Soldaten in den eiskalten Fluss
stürzten. Es sollen dabei mindestens zwanzig indische und auch
einige chinesische Soldaten gestorben sein. China hat zu
möglichen eigenen Opfern keine Angaben gemacht.
Laut der „Times of
India“ hat Indien chinesische Nachrichten
abgefangen, laut denen es mindestens 43 chinesische Opfer gab, wobei
nicht klar ist, wie viele getötet oder lebensgefährlich verletzt
wurden. Der „US
News and World Report“ berichtete: „Die
US-Geheimdienste gehen von 35 chinesischen Todesopfern aus, darunter
ein höherer Offizier“.
Die jeweiligen
Außenminister haben bereits miteinander telefoniert und sich
gegenseitig die Schuld für die Auseinandersetzung zugeschoben.
Die Demarkationslinie,
welche in 4.000 Meter Höhe verläuft und über die sich die beiden
Länder nie einig wurden, soll derzeit von der jeweiligen Seite,
durch strategisch platzierte Straßen und der Errichtung von
chinesischen und indischen Außenposten, für sich beansprucht
werden. Dabei handelt es sich wohl um ein hoffnungsloses Unterfangen.
Schuld an dem Desaster ist
wohl die einstige Kolonialmacht Großbritannien. Es gibt mehrere
Demarkationslinien, welche von den Briten geschaffen wurden. Eine aus
dem Jahre 1865 nennt sich Johnson-Linie. Ihr Verlauf sieht vor, dass
Aksai Chin, die Region östlich von Ladakh, Teil von Indien ist. Dann
gibt es noch die Macartney-MacDonald-Linie, welche die Briten 1899 zu
Papier brachten. Laut dieser, wäre der größte Teil von Aksai Chin,
chinesisch. Es ist müßig zu erwähnen, dass die beiden
Streithanseln das gesamte Gebiet von Aksai Chin für sich
beanspruchen.
Keine Sorge es gibt auch
noch andere Regionen, über welche sich China und Indien bezüglich
der Demarkationslinie uneinig sind. Einen mittleren Sektor in Sikkim,
im Dreiländereck China - Indien - Bhutan, sowie einen östlichen in
Arunachal Pradesh.
China beansprucht den
indischen Teilstaat als „Süd-Tibet“ für sich. Indien
dagegen pocht auf die McMahon-Linie, eine Grenze, welche in einem
Abkommen zwischen den britischen und tibetischen Behörden im Jahr
1914 festgelegt wurde. Die ungeklärten Grenzfragen wurden in den
1950er Jahren relevant. Indien wurde 1947 unabhängig und in China
hatten 1947 die Kommunisten den Bürgerkrieg „gewonnen“. Während China die von den
Briten gezogenen Grenzen für null und nichtig erklärte, pochten
indes die Inder darauf.
Im Jahre 1959 schrieb der
chinesische Premierminister Zhou Enlai einen Brief an sein indisches
Gegenüber, Jawaharlal Nehru. Er offerierte ihm eine „Line of
Actual Control“. Die Grenze würde im Osten entlang der
McMahon-Linie verlaufen, Aksai Chin dagegen, das von Indien aus
schwer zugängliche Hochplateau, wäre auf der chinesischen Seite zu
finden. Leider lehnte der indische Premierminister diesen Vorschlag
ab. Drei Jahre später holte
sich China, im Oktober 1962, dank einer militärischen Intervention,
jene Gebiete, welche ihr auf diplomatischem Weg verwehrt wurden. Die
indische Armee wurde zurückgedrängt und nach 32 Tagen rief Zhou
Enlai einen Waffenstillstand aus. Für Indien war diese Niederlage
demütigend.
In der Gegenwart sieht es
so aus, dass es 2019 zu insgesamt 660 Grenzverletzungen kam. Auf
welche Art und Weise diese zustande kamen, darüber wird nirgends
berichtet. Im Gegensatz zu den Grenzstreitigkeiten zwischen Indien
und Pakistan, erfährt die indische Bevölkerung kaum etwas von den
Streitereien mit China. Einer der Gründe könnte sein, dass das
umstrittene Gebiet schwer zugänglich ist. Andererseits ist die
indische Regierung zu diesem Thema sehr verschwiegen. Wenn darüber
berichtet wird, dann war das in den letzten Wochen und Monaten eher
so, dass die Regierung verlautbaren ließ, dass die Gespräche zu dem
schwelenden Konflikt gut verlaufen.
Als die ersten Nachrichten
von einem Zwischenfall an der Grenze eintrudelten, erklärte die
Regierung, dass es drei Tote gegeben habe. Einige Stunden später gab
es plötzlich zwanzig Opfer zu beklagen. Dies könnte allerdings
auch daran liegen, dass die Region schwer zugänglich ist und viele
Verwundete während der langen Wartezeit auf Hilfe, verstorben sind.
Die Eiseskälte in mehr als 4.000 Meter Höhe ist ebenso nicht zu
unterschätzen.
Ein Bonmot ist allerdings,
welches es hingegen locker in die Medien schaffte, ist die Tatsache,
dass es an der Grenze zwischen Indien und Pakistan zu einem
Zwischenfall mit einer Taube kam. Diese habe, nein sorry das ist
wirklich wahr, die Grenze illegal überschritten! Sie ist verdächtigt
worden, im Auftrag von Pakistan, als Spion zu „arbeiten“. Die
Taube wurde in einem Dorf, nahe der pakistanischen Grenze eingefangen
und in einer Polyklinik geröntgt. Ein Bewohner hatte nämlich eine
verdächtige Marke unter dem Federkleid entdeckt.
Diese Angaben stammen von
AFP, welche ein Interview mit dem ranghohen Polizisten Rakesh
Kaushal, führten. Er bekräftigte, dass auf der Marke etwas auf
Urdu stehe. Außerdem sei der Name eines pakistanischen Bezirks
erwähnt. Es gäbe derzeit allerdings keinen konkreten Hinweis auf
einen Spionageverdacht. Ganz so abwegig ist der Gedanke einer
Spionage durch den Einsatz von Vögeln allerdings nicht. Im Jahre
2013 hatten indische Soldaten einen toten Falken mit einer kleinen
Kamera entdeckt.
Zurück zum indischen
Konflikt mit China. Im Gegensatz zu Europa und den U.S.A., wo man die
Ambitionen Chinas, seine Durchschlagskraft mit dem Bau der „Neuen
Seidenstraße“ skeptisch und eine wenig kritisch beäugt, hat
Indien regelrecht Angst davor. Indien hat sicherheitspolitische
Ängste, welche nicht grundlos sind. China unterstützt
beispielsweise den indischen Erzfeind Pakistan, bei der Errichtung
eines Staudamms. Dieser wird nicht irgendwo, sondern in Kaschmir
errichtet. In jener Region also, welche Indien für sich beansprucht.
Der Damm ist ein Teil von Chinas „Belt-and-Road-Initiative“.
Pakistan ist für Indien ein wichtiger Partner geworden.
Wenn Indien eines Tages
die Corona-Krise hinter sich gelassen hat, wird die indische
Regierung noch viel Arbeit im sozialen, wirtschaftlichen und
diplomatischen Bereich zu erledigen haben.
Ich bezweifle stark, dass
dies mit der aktuellen Regierung, welche statt Einigkeit zu schaffen,
neue Gräben errichtet, möglich sein wird.
Danke für diesen ausführlichen detaillierten Bericht, der mir sehr gut gefallen hat. Seit sehr vielen Jahren interessiert mich die Geschichte Indiens! Da sie auch mit Großbritannien und den Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi, der alles daran Setzte das Indische Folk in die Freiheit zu führen.
AntwortenLöschenDank deinen ausführlichen Informationen habe ich wieder vieles erfahren was ich noch nicht wusste! 🦋
Nice post thank you Rachelle
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