Es ist ein Faktum,
dass die Medienfreiheit in der Türkei schon seit längerer Zeit
rapide sinkt und unbequeme Journalisten und Redakteure eingesperrt
werden. Die Zeitung „Cumhuriyet“ ist diesbezüglich einer der
Hauptgegner von Premier Erdogan. Das kommt halt davon, wenn man
seinen Lesern Bildern zeigt auf denen ein Lastwagenkonvoi zu sehen
ist, welcher (angeblich) den Gegnern des syrischen Präsidenten Assad
Waffen und Munition liefert. Besonders dann, wenn man dabei erwähnt,
dass der Geheimdienst die Waffenlieferungen für die islamistischen
Extremisten geschickt hat...
Nach dem
misslungenen Militärputsch gegen Premier Erdogan hat dieser eine
„Säuberungsaktion“ unvorstellbaren Ausmaßes durchführen
lassen. Mindestens 70.000 Personen wurden entweder inhaftiert,
entlassen oder suspendiert. Immer noch sitzen tausende Menschen im
Gefängnis. Über die Zustände gibt es nur sehr spärliche
Informationen, weil nur wenige von denen, welche bisher entlassen
wurden über die Geschehnisse innerhalb der Gefängnismauern zu reden
wagen. Diese berichten von Gewaltexzessen und schweren Misshandlungen
durch das Personal.
Amnesty
International hat Berichte über Schläge sowie Vergewaltigungen
bereits in den ersten Wochen nach dem Putschversuch erhalten.
Internationale Beobachter haben bisher, obwohl Amnesty International
die türkischen Machthaber dazu aufgefordert hat, noch keinen Zugang
zu den Gefangenen erhalten. Amnesty International wurde vom
türkischen Justizminister gar als „Instrument“ der Gülen
Bewegung bezeichnet... Seiner Ansicht nach sei jeder der behauptet,
dass in den türkischen Gefängnissen Gewalt und Vergewaltigung
herrsche ein Verleumder. Man wäre nur dann kein Verleumder, wenn man
die Anschuldigungen beweisen könne. Das ist halt sehr schwer, wenn
die Regierung nichts dazu beitragen will... Dafür wird es aber
garantiert triftige Gründe geben...
Nils Muiznieks,
seines Zeichens der Menschenrechtskommissar des Europarats hat den
Sicherheitskräften zahlreiche Menschenrechtsverletzungen
vorgeworfen. In den Kurdengebieten würden seit letztem Jahr immer
wieder Ausgangssperren herrschen, welche absolut unverhältnismäßig
seien. Eine Ausgangssperre, über einen derart langen Zeitraum
hinweg, wäre nichts anderes als eine Inhaftierung. Warum? Ganz
einfach deshalb, weil man der dort lebenden Bevölkerung über Monate
hinweg verbietet die Häuser zu verlassen.
Der
UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer hat die Regierung dazu
aufgefordert sämtliche Foltervorwürfe untersuchen zu lassen. Schwer
zu glauben, dass dies in den nächsten Wochen oder/und Monaten
passieren wird. Wenn man weiß, dass Premier Erdogan bereits kurz
nach dem Putsch beschlossen hat, dass man ab sofort Verdächtige bis
zu 30 Tage in Gewahrsam nehmen und in den ersten fünf Tagen nach der
Verhaftung nicht einmal ein Anwalt angefordert werden darf, so sollte
dies einem vernunftbegabten Wesen doch zu denken geben.
Obwohl all das den
EU-Staaten bekannt ist, traut sich offensichtlich niemand, dem
herrschsüchtigen Premier Erdogan ordentlich die Meinung zu geigen
und die EU-Beitrittsgespräche der Türkei per sofort zu stoppen. Die
Angst, dass die Türkei daraufhin den sogenannten „Flüchtlingsdeal“
platzen lässt ist wohl zu groß. Selbstverständlich weiß dies auch
der türkische Premier Erdogan und daher befindet er sich in der
Position, die EU immer wieder auf´s Neue zu erpressen.
Erdogan will halt
unbedingt in die Geschichtsbücher und daher ist es ihm sehr wichtig
noch im Jahre 2023 an der Macht zu sein. 2023 ist nämlich der 100.
Geburtstag der Türkei und für dieses Jahr war, zumindest aus
türkischer Sicht, auch der Beitritt zur EU geplant. In der
Zwischenzeit verbringt der unumschränkte Herrscher Erdogan die Zeit
damit den Ausnahmezustand alle drei Monate zu verlängern. Ganz
nebenbei kann er dabei per Dekret fast unumschränkt agieren.
Erdogan findet so
viel Gefallen daran, dass seine Partei daran arbeitet, so schnell wie
möglich die Verfassung zu ändern und endlich in das immer schon
angestrebte Präsidialsystem umzuformen. Bereits im nächsten Sommer
soll es dazu eine Volksabstimmung geben und wie die ausgehen wird,
weiß man bereits heute. Man vergesse nicht die Parlamentswahlen im
vergangenen Jahr, welche Erdogan im Herbst wiederholen ließ, weil
das Ergebnis nicht seinen Erwartungen entsprach. Nach der Wahl und
der Umwandlung zum Präsidialsystem kann Erdogan als Präsident
Dekrete erlassen, welche Gesetzeskraft haben.
Die
Verfassungsänderung soll außerdem dazu führen, dass ein Präsident
nicht mehr neutral sein muss. Er darf dann auch einer Partei
zugehörig sein. Wie praktisch für Herrn Erdogan! Der derzeitige
Ausnahmezustand gilt übrigens bis Mitte Jänner. Er muss also nur
noch zweimal um drei Monate verlängert werden und schon geht es für
Premier Erdogan ohne Machtverlust nach der Wahl und der
Verfassungsänderung weiter. Er darf dann selbst Minister ernennen
und einen Premierminister braucht man dann auch nicht mehr. Da können
die Oppositionsparteien noch so verzweifelt aufschreien, dass dies
die blanke Diktatur wäre, weil somit das Parlament quasi von den
Entscheidungen ausgeschlossen würde, es interessiert sich
anscheinend eh keiner dafür.
Naja so ganz,
stimmt das selbstverständlich nicht. In Brüssel sieht man die
Entwicklung in der Türkei gewiss mit großer Sorge und beobachtet
bestimmt ganz genau, wie es weitergeht. Die Frage ist halt nur, ob
man gewillt ist diese bedenkliche Demokratie politische Entwicklung
zu tolerieren und sich von der Türkei noch mehr abhängig zu machen,
nur damit man ein paar Flüchtlingssorgen weniger hat.
Wie froh müsste
man in der EU eigentlich sein, dass ausgerechnet der junge
österreichische Außenminister Sebastian Kurz den Mumm hat sein Veto
gegen die Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei geltend
zu machen. Sämtliche andere Nationen könnten nun mit dem Ausdruck
des größten Bedauerns Herrn Erdogan mitteilen, dass es in dieser
Frage leider keine Einstimmigkeit gibt und sich auf den jungen,
österreichischen Außenminister ausreden.
Die Meinung von
Sebastian Kurz fällt allerdings beim EU-Kommissionspräsidenten
Jean-Claude Juncker auf wenig Gegenliebe. Er wolle lieber daran
arbeiten, dass sich die Türkei in Zukunft wieder mehr Richtung EU
bewegt und dann könne ein EU-Beitritt bis zum Jahre 2023 (na so ein
Zufall aber auch), weiterhin möglich sein.
Sebastian Kurz hat
gegenüber der APA erklärt: "In der Türkei
werden Andersdenkende eingeschüchtert, Journalisten eingesperrt und
jetzt ist sogar von einer Wiedereinführung der Todesstrafe die Rede.
Das Land entwickelt sich immer weiter weg von der Europäischen
Union, und das verlangt nach einer deutlichen Reaktion. Wenn wir der
Türkei aufgrund des Flüchtlingsdeals alles durchgehen lassen und
bei den Entwicklungen dort wegsehen, begeben wir uns in eine
gefährliche Form der Abhängigkeit."
Böse Zungen
könnten allerdings auch behaupten, dass Deutschland eine ähnliche
Meinung zur Türkei hätte, wenn, ja wenn nicht im nächsten Herbst
Wahlen wären. Frau Merkel hätte wohl schlechte Chancen auf eine
Wiederwahl, wenn 2017 der nächste Flüchtlingsstrom Richtung
Deutschland kommen würde.
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