Beim Auftritt von Bundeskanzler Kern
konnte man erkennen, dass er ein exzellenter „Redner“ ist. Die
Worte bedächtig gewählt, langsam auf- und abgehend, klar in seiner
Ausdrucksweise, verbunden mit dem Versuch möglichst viele positive
Wörter zu verwenden und alle Zuhörer zu bewegen einen
optimistischen Blick in die Zukunft zu richten. Schon zu Beginn
entschuldigte er sich bei jenen ehemaligen SPÖ Wählern, welche in
den letzten Jahren, durchaus frustriert und von der Partei nicht
ernst genommen, ihr Stimmverhalten bei diversen Wahlen änderten.
Bundeskanzler Kern wies darauf hin, dass nicht diese den
sozialistischen Weg verlassen hätten, sondern die SPÖ selbst. Mit
dieser Eröffnung konnte er einerseits überraschen und andererseits
Sympathiepunkte sammeln.
In seiner folgenden Rede, welche an
einen Wahlkampfauftakt erinnerte, zog Bundeskanzler Kern sämtliche
Register. Er gab nicht nur Ziele bekannt, sondern erklärte auch wie
er diese erreichen wolle. Das nicht alle davon ohne der Zustimmung
eines (es muss ja nicht so wie jetzt gerade die ÖVP sein)
Koalitionspartners bedarf, dürfte allgemein bekannt sein.
Der Wunsch, dass in Zukunft der Sieger
einer Nationalratswahl automatisch den Bundeskanzler stellen sollte,
wird wohl nicht nur den neuen Bundespräsidenten Alexander van der
Bellen überraschen, sondern noch viel mehr die FPÖ, welche derzeit
in sämtlichen Umfragen (wem würden Sie ihre Stimme geben, wenn
heute Nationalratswahlen wären) mit großem Abstand in Führung
liegt.
Entgegen der ersten Kommentare
freiheitlicher Politker sprach Bundeskanzler Kern sehr wohl die
Problematik an, welche sich aus der hohen Zuwanderung seit dem Sommer
2015 ergeben hat. Er gab zu, dass Fehler gemacht wurde und zitierte
dabei Sir Karl Popper: „Im Namen der Toleranz haben wir das Recht,
Intoleranz nicht zu tolerieren." Die Frage der Zuwanderung müsse
in den Händen der politischen Agenda bleiben wobei dies einerseits
mit Humanität oder andererseits mit dem Respekt vor den
Menschenrechten zu tun habe. Er stellte auch klar, dass die
Zuwanderung in jenem Ausmaß zu begrenzen sei, als die Probleme der
Integration nicht gelöst sind. Im Gegensatz dazu sprach sich ein
wild gestikulierender H.C. Strache, vor einem durch entsprechenden
Bierkonsum in entsprechende Laune gebrachtes, grölendes Publikum,
dafür aus die Zuwanderung nicht zu halbieren oder sonst irgendwie zu
begrenzen, sondern schlicht und ergreifend die Minus-Zuwanderung.
Gibt es diesbezüglich noch irgendwelche Fragen? Kurzfassung: Wir
nehmen keinen Migranten mehr auf und selbst jene, welche hier (auch
laut FPÖ) gut integriert sind, dürfen keinen Familienzuzug mehr
erhalten (also weder Ehefrau/Ehemann, Kinder) und abgeschoben wird ja
sowieso (logisch denn sonst gibt es keine Minus-Zuwanderung).
Ein sehr wesentlicher Punkt der Rede
von Bundeskanzler Kern betraf die Bildungspolitik des Landes.
Sämtliche Klassenzimmer sollten W-Lan haben. Die Schüler sollten
vom Staat Laptops finanziert bekommt und ab der neunten Schulstufe
Tablets. Die Schulen müssen endlich im digitalen Zeitalter ankommen.
An den Unis sollte endlich wieder das Leistungsprinzip herrschen und
es müsse Zugangsbeschränkungen geben. Zumindest drei Unis müssten
weltweit unter die Top 100 kommen. Es müsse für den Bereich der
Bildung viel mehr Geld in die Hand genommen werden. Bundeskanzler
Kern spricht von 2 % des BIPs. Eine Zahl welche zwar schon sehr oft
ausgesprochen aber in Österreich noch nie erreicht wurde.
Bezüglich der Arbeitslosigkeit will
Bundeskanzler es schaffen bis zum Jahre 2020 insgesamt 200.000 neue
Arbeitsplätze zu schaffen. 200.000 Arbeitsplätze zu schaffen ist
NICHT schwierig. Die Frage ist nur, um welche
Beschäftigungsverhältnisse es sich dabei handeln wird. Die Zukunft
liegt nicht in den typischen Angestelltenverhältnissen, sondern
zunehmend in den sogenannten atypischen Dienstverhältnissen.
Ich kenne jemanden der in der Markt-
und Meinungsforschung als telefonischer Interviewer tätig ist. Vor
etwa zehn Jahren meinte er, dass er ab sofort für ein zweites
Institut arbeiten müsse, weil er sonst nicht genügend Aufträge
bekommt um seinen bescheidenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Vor
wenigen Jahren suchte er sich dann ein drittes Institut, um dieses
Ziel zu erreichen. Vor einer Woche klagte er darüber, dass er
nunmehr gar ein viertes Institut braucht, weil er in den ersten neun
Tagen des Jahres 2017 nicht einen einzigen Cent verdienen konnte, da
die drei Markt- und Meinungsforschungsunternehmen keine Aufträge
hatten! In dieser Branche bekommt man auch kein Urlaubsgeld, kein
Weihnachtsgeld oder sonstige Zulagen sondern verdient einzig und
alleine daran wenn es gelungen ist ein Telefonat mit dem vollständig
beantworteten Fragenkatalog zu Ende zu führen. Ein
durchschnittlicher Interviewer verdient dabei etwa 7€ pro Stunde...
Das angestrebte Ziel meines Bekannten ist es monatlich 1.000€ zu
lukrieren. Ich weiß, dass er es nur ganz selten erreicht...
Wir brauchen ab sofort und in Zukunft
Jobs von welchen wir leben können und keine zusätzlichen atypischen
Dienstverhältnisse. Die Situation meines Bekannten entspricht genau
jener in denen sich seit vielen Jahren auf eine Vielzahl von
US-Amerikanern befindet. Ohne einem Zweitjob reicht es kaum noch zum
Leben...
Es gibt gerade bei den internationalen
Konzernen viel Geld zu holen (man darf es nicht hinnehmen und laut
aufseuzen... da kann man halt nichts machen, wenn diese ihre Steuern
in z. B. Irland bezahlen...). Ich hoffe, dass es diesbezüglich nicht
nur ein Lippenbekenntnis von Bundeskanzler Kern gibt, sondern er
dieses Thema auch tatsächlich anpackt.
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