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Sonntag, 15. Januar 2017

Neustart bei der SPÖ und altbewährtes bei der FPÖ

Das waren doch zwei hübsche Inszenierungen, welche unterschiedlicher nicht sein hätten können. Während Bundeskanzler Christian Kern versuchte das alte Image der SPÖ zu entstauben und aufzupolieren, wurden bei H.C. Strache die schlichten Gemüter der anwesenden Bierzelt-Fans befriedigt.

Beim Auftritt von Bundeskanzler Kern konnte man erkennen, dass er ein exzellenter „Redner“ ist. Die Worte bedächtig gewählt, langsam auf- und abgehend, klar in seiner Ausdrucksweise, verbunden mit dem Versuch möglichst viele positive Wörter zu verwenden und alle Zuhörer zu bewegen einen optimistischen Blick in die Zukunft zu richten. Schon zu Beginn entschuldigte er sich bei jenen ehemaligen SPÖ Wählern, welche in den letzten Jahren, durchaus frustriert und von der Partei nicht ernst genommen, ihr Stimmverhalten bei diversen Wahlen änderten. Bundeskanzler Kern wies darauf hin, dass nicht diese den sozialistischen Weg verlassen hätten, sondern die SPÖ selbst. Mit dieser Eröffnung konnte er einerseits überraschen und andererseits Sympathiepunkte sammeln.

In seiner folgenden Rede, welche an einen Wahlkampfauftakt erinnerte, zog Bundeskanzler Kern sämtliche Register. Er gab nicht nur Ziele bekannt, sondern erklärte auch wie er diese erreichen wolle. Das nicht alle davon ohne der Zustimmung eines (es muss ja nicht so wie jetzt gerade die ÖVP sein) Koalitionspartners bedarf, dürfte allgemein bekannt sein.

Der Wunsch, dass in Zukunft der Sieger einer Nationalratswahl automatisch den Bundeskanzler stellen sollte, wird wohl nicht nur den neuen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen überraschen, sondern noch viel mehr die FPÖ, welche derzeit in sämtlichen Umfragen (wem würden Sie ihre Stimme geben, wenn heute Nationalratswahlen wären) mit großem Abstand in Führung liegt.

Entgegen der ersten Kommentare freiheitlicher Politker sprach Bundeskanzler Kern sehr wohl die Problematik an, welche sich aus der hohen Zuwanderung seit dem Sommer 2015 ergeben hat. Er gab zu, dass Fehler gemacht wurde und zitierte dabei Sir Karl Popper: „Im Namen der Toleranz haben wir das Recht, Intoleranz nicht zu tolerieren." Die Frage der Zuwanderung müsse in den Händen der politischen Agenda bleiben wobei dies einerseits mit Humanität oder andererseits mit dem Respekt vor den Menschenrechten zu tun habe. Er stellte auch klar, dass die Zuwanderung in jenem Ausmaß zu begrenzen sei, als die Probleme der Integration nicht gelöst sind. Im Gegensatz dazu sprach sich ein wild gestikulierender H.C. Strache, vor einem durch entsprechenden Bierkonsum in entsprechende Laune gebrachtes, grölendes Publikum, dafür aus die Zuwanderung nicht zu halbieren oder sonst irgendwie zu begrenzen, sondern schlicht und ergreifend die Minus-Zuwanderung. Gibt es diesbezüglich noch irgendwelche Fragen? Kurzfassung: Wir nehmen keinen Migranten mehr auf und selbst jene, welche hier (auch laut FPÖ) gut integriert sind, dürfen keinen Familienzuzug mehr erhalten (also weder Ehefrau/Ehemann, Kinder) und abgeschoben wird ja sowieso (logisch denn sonst gibt es keine Minus-Zuwanderung).

Ein sehr wesentlicher Punkt der Rede von Bundeskanzler Kern betraf die Bildungspolitik des Landes. Sämtliche Klassenzimmer sollten W-Lan haben. Die Schüler sollten vom Staat Laptops finanziert bekommt und ab der neunten Schulstufe Tablets. Die Schulen müssen endlich im digitalen Zeitalter ankommen. An den Unis sollte endlich wieder das Leistungsprinzip herrschen und es müsse Zugangsbeschränkungen geben. Zumindest drei Unis müssten weltweit unter die Top 100 kommen. Es müsse für den Bereich der Bildung viel mehr Geld in die Hand genommen werden. Bundeskanzler Kern spricht von 2 % des BIPs. Eine Zahl welche zwar schon sehr oft ausgesprochen aber in Österreich noch nie erreicht wurde.

Bezüglich der Arbeitslosigkeit will Bundeskanzler es schaffen bis zum Jahre 2020 insgesamt 200.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. 200.000 Arbeitsplätze zu schaffen ist NICHT schwierig. Die Frage ist nur, um welche Beschäftigungsverhältnisse es sich dabei handeln wird. Die Zukunft liegt nicht in den typischen Angestelltenverhältnissen, sondern zunehmend in den sogenannten atypischen Dienstverhältnissen.

Ich kenne jemanden der in der Markt- und Meinungsforschung als telefonischer Interviewer tätig ist. Vor etwa zehn Jahren meinte er, dass er ab sofort für ein zweites Institut arbeiten müsse, weil er sonst nicht genügend Aufträge bekommt um seinen bescheidenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Vor wenigen Jahren suchte er sich dann ein drittes Institut, um dieses Ziel zu erreichen. Vor einer Woche klagte er darüber, dass er nunmehr gar ein viertes Institut braucht, weil er in den ersten neun Tagen des Jahres 2017 nicht einen einzigen Cent verdienen konnte, da die drei Markt- und Meinungsforschungsunternehmen keine Aufträge hatten! In dieser Branche bekommt man auch kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld oder sonstige Zulagen sondern verdient einzig und alleine daran wenn es gelungen ist ein Telefonat mit dem vollständig beantworteten Fragenkatalog zu Ende zu führen. Ein durchschnittlicher Interviewer verdient dabei etwa 7€ pro Stunde... Das angestrebte Ziel meines Bekannten ist es monatlich 1.000€ zu lukrieren. Ich weiß, dass er es nur ganz selten erreicht...

Wir brauchen ab sofort und in Zukunft Jobs von welchen wir leben können und keine zusätzlichen atypischen Dienstverhältnisse. Die Situation meines Bekannten entspricht genau jener in denen sich seit vielen Jahren auf eine Vielzahl von US-Amerikanern befindet. Ohne einem Zweitjob reicht es kaum noch zum Leben...

Es gibt gerade bei den internationalen Konzernen viel Geld zu holen (man darf es nicht hinnehmen und laut aufseuzen... da kann man halt nichts machen, wenn diese ihre Steuern in z. B. Irland bezahlen...). Ich hoffe, dass es diesbezüglich nicht nur ein Lippenbekenntnis von Bundeskanzler Kern gibt, sondern er dieses Thema auch tatsächlich anpackt.

Es gibt viel zu tun, also Ärmel aufkrempeln und anpacken. Los geht’s!



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