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Donnerstag, 14. Dezember 2017

Der Weihnachtsfrieden im ersten Weltkrieg

Am 9. Jänner 1915 wurden in der britischen „North Mail“ die Schilderungen des britischen Gefreiten Frederick W. Heath veröffentlicht, welche fortan als „Der Weihnachtsfrieden“ in die Weltgeschichte einging.


Am Abend des 24. Dezember 1914 lehnte der Gefreite Frederick W. Heath lustlos in seinem Schützengraben und starrte durch ein kleines Loch auf einen Graben, welcher in einer Entfernung von lediglich 200 Metern ihm gegenüber lag. Dort versteckten sich die Deutschen hinter dem aufgeschütteten Erdhaufen. An der Westfront ging zu Weihnachten gar nichts mehr und so standen sich auf der einen Seite die Deutschen und auf der anderen Seite die Belgier, Franzosen und Briten gegenüber.

Vom deutschen Schlieffen-Plan blieb nichts übrig. Dieser besagte, dass das Deutsche Reich nach einem kleinen Umweg über Belgien die Franzosen besiegen würden und anschließend gegen Russland kämpfen. Das Problem war allerdings, dass als die deutsche Armee am 3. August 1914 die Neutralität Belgiens verletzten, England den Deutschen den Krieg erklärte. Nachdem die deutsche Armee die Schlacht an der Marne verloren hatte, war nunmehr von einem schnellen Kriegsende keine Rede mehr.

Was folgte war ein zermürbender Stellungskrieg. Die Soldaten gruben sich ein, versteckten sich in Gräben und kämpften oftmals Hügel gegen Hügel in einer Entfernung von gerade einmal 20 Metern. Die Soldaten starben durch Handgranaten, Gewehrsalven oder wenn die Nerven überstrapaziert waren, versuchte man es mit einem sinnbefreiten Sturmangriff, welcher lediglich im Kugelhagel der Gegner endete. Bis Weihnachten 2014 waren bereits 160.000 englische und 300.000 deutsche Soldaten tot. Hinzu kamen tausende Menschen, welche schlicht und ergreifend erfroren.

Dies sind also die Umstände gewesen, welche der Gefreite Frederick W. Heath erlebte und nun folgend die Ereignisse dieser denkwürdigen Nacht.

An jenem Weihnachtsabend sah er plötzlich und unerwartet ein flackerndes Licht auf der Seite des Gegners. Er gab umgehend die Nachricht weiter, dass er an der feindlichen Seite ein eigenartiges, flackerndes Licht gesehen habe. Kaum hatte er diese Meldung weiter gegeben, ging an der deutschen Linie ein Licht nach dem anderen an. Unmittelbar danach hörte er die Stimme eines Deutschen, welche rief: „English soldier“, „English soldier, a merry christmas, a merry Christmas!“ Zu diesem Zeitpunkt blieben die Briten noch ruhig – sie schwiegen. Zu gut konnten sie sich daran erinnern, dass deutsche Soldaten an der Westfront vorgaben sich zu ergeben und als daraufhin die Briten ihre Waffen senkten, wurden sie aus dem Hinterhalt erschossen. Dies wussten die britischen Soldaten allesamt aus der englischen Zeitschrift namens „The Sphere“. An diesem denkwürdigen Weihnachtsabend dachten die Briten sofort an dieses Ereignis.

Frederick W. Heath berichtete in seinen Schilderungen davon, dass es allerdings etwas gab, was noch viel stärker als die Angst war. Immer mehr Briten überwanden die eigene Furcht und erwiderten lauthals den Weihnachtsgruß ihrer Feinde. Sie hörten die Weihnachtslieder der Deutschen, welche sie aus ihren Schützengräben sangen und vernahmen das Pfeifen von Flöten. Die Briten antworteten mit ihren eigenen Weihnachtsliedern.

In der Dämmerung, als der Himmel sich rosa verfärbte, konnten sie ihre Feinde erkennen. Diese stiegen völlig unbekümmert aus ihren Schützengräben. Frederick bewunderte ihren Mut, weil es für die Briten ein einfaches gewesen wäre, sie nun der Reihe nach abzuknallen. Sie schossen allerdings nicht, sondern riefen ihre Segenswünsche in die Richtung jener Männer, mit welchen sie noch kurz zuvor gekämpft hatten. Die Deutschen forderten die Briten auf, ebenso ihre Stellungen zu verlassen, damit man sich auf halbem Wege begegnen könne. Während die Briten noch zögerten, liefen die Deutschen mit den Händen auf den Köpfen auf die Briten zu. Nun konnte auch die Briten nichts mehr davon abhalten, es ihren Feinden gleichzutun und so verließen auch sie ihren Schützengraben. Frederick schilderte, dass viele Briten nur deshalb ihre Stellungen verlassen haben, um am Ende nicht als Feiglinge zu gelten. Die meisten von ihnen waren auch nur einfach schrecklich müde und hatten es satt ständig zu kämpfen und das ewige, unnütze Blutvergießen zu verlängern. Jeder pochte darauf, dass es doch wenigstens zu Weihnachten ein Ende des kriegerischen Wahnsinns geben müsse.

Die Deutschen und Briten streckten sich einander die Hände entgegen und sie schüttelten diese, wie gute Freunde es eben machen. Selbstverständlich war stets ein Misstrauen dabei, aber die Gegner standen nicht nur beisammen, sondern redeten auch miteinander. Die Soldaten tauschten untereinander Adressen und Zigaretten aus und die Briten schenkten ihren deutschen „Kollegen“ den traditionellen Christmas Pudding. Das ist jenes Fleischgericht, welches in England am ersten Weihnachtstag gegessen wird. Frederick W. Heath schrieb dazu, dass nach dem ersten Bissen des Gegners, diese nun „Freunde für immer“ waren.

Ein ganz besonderes Highlight war ein Fußballmatch zwischen Sachsen und Schotten. Ein deutscher Soldat schrieb dazu trefflich, dass es vor allem deshalb so vergnüglich war, weil es zwischendurch immer wieder großes Gelächter gab, wenn ein Schotte zeigte, dass er unter seinem Rock nichts an hatte.

Die große Frage stellt sich da natürlich, wie man einen „Feind“ weiter bekämpfen kann, nachdem man ihm „Frohe Weihnachten“ gewünscht, mit ihm Lieder gesungen, Fußball gespielt, Bilder seiner Frau und Kinder gezeigt, Zigaretten geschenkt hat... Es ist richtig, dass es Verbrüderungen gab, welche bis in den Jänner hinein gedauert haben und die Offiziere hatten sehr wohl bereits große Bedenken, dass die eigenen Soldaten überhaupt nicht mehr kämpfen wollen. Für den Fall, dass sich die Soldaten einen Schießbefehl widersetzten, wurden ihnen drakonische Disziplinarstrafen angedroht. Es durfte ganz einfach nicht sein, dass die Kämpfe nicht weitergehen. Einige wenige Augenblicke des Widerstands gab es fast überall, aber die waren schnell gebrochen.

Ein britischer Soldat schrieb davon, dass in seinem Schützengraben der Kampf wieder aufgenommen werden musste, als die deutschen Soldaten noch dabei waren ihre Weihnachtslieder zu singen. Wenige Augenblicke später ertönten statt der Weihnachtslieder, lediglich Schmerzensschreie. Frederick W. Heath meinte zum Wiederbeginn der Kampfhandlungen folgendes an: „Wir sind schon wieder dabei die Gegner zu beschießen und diese schicken uns die Grüße wieder zurück...“

Wo genau Frederick W. Heath gekämpft hatte, kann man heutzutage nicht mehr feststellen und auch nicht ob er den Ersten Weltkrieg überlebt hat, wissen wir nicht. Dank ihm und seinen Schilderungen, welche die „North Mail“ am 9. Jänner 1915 veröffentlicht hat wissen wir allerdings, was sich an diesem denkwürdigen Weihnachtsabend zugetragen hat. Viele andere vor Ort anwesende Zeitzeugen beschrieben uns ebenfalls den einzigartigen Weihnachtsfrieden des Ersten Weltkriegs.

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