Am 9. Jänner
1915 wurden in der britischen „North Mail“ die Schilderungen des
britischen Gefreiten Frederick W. Heath veröffentlicht, welche
fortan als „Der Weihnachtsfrieden“ in die Weltgeschichte einging.
Am Abend des
24. Dezember 1914 lehnte der Gefreite Frederick W. Heath lustlos in
seinem Schützengraben und starrte durch ein kleines Loch auf einen
Graben, welcher in einer Entfernung von lediglich 200 Metern ihm
gegenüber lag. Dort versteckten sich die Deutschen hinter dem
aufgeschütteten Erdhaufen. An der Westfront ging zu Weihnachten gar
nichts mehr und so standen sich auf der einen Seite die Deutschen und
auf der anderen Seite die Belgier, Franzosen und Briten gegenüber.
Vom deutschen
Schlieffen-Plan blieb nichts übrig. Dieser besagte, dass das
Deutsche Reich nach einem kleinen Umweg über Belgien die Franzosen
besiegen würden und anschließend gegen Russland kämpfen. Das
Problem war allerdings, dass als die deutsche Armee am 3. August 1914
die Neutralität Belgiens verletzten, England den Deutschen den Krieg
erklärte. Nachdem die deutsche Armee die Schlacht an der Marne
verloren hatte, war nunmehr von einem schnellen Kriegsende keine Rede
mehr.
Was folgte war
ein zermürbender Stellungskrieg. Die Soldaten gruben sich ein,
versteckten sich in Gräben und kämpften oftmals Hügel gegen Hügel
in einer Entfernung von gerade einmal 20 Metern. Die Soldaten starben
durch Handgranaten, Gewehrsalven oder wenn die Nerven überstrapaziert
waren, versuchte man es mit einem sinnbefreiten Sturmangriff, welcher
lediglich im Kugelhagel der Gegner endete. Bis Weihnachten 2014 waren
bereits 160.000 englische und 300.000 deutsche Soldaten tot. Hinzu
kamen tausende Menschen, welche schlicht und ergreifend erfroren.
Dies sind also
die Umstände gewesen, welche der Gefreite Frederick W. Heath erlebte
und nun folgend die Ereignisse dieser denkwürdigen Nacht.
An jenem
Weihnachtsabend sah er plötzlich und unerwartet ein flackerndes
Licht auf der Seite des Gegners. Er gab umgehend die Nachricht
weiter, dass er an der feindlichen Seite ein eigenartiges,
flackerndes Licht gesehen habe. Kaum hatte er diese Meldung weiter
gegeben, ging an der deutschen Linie ein Licht nach dem anderen an.
Unmittelbar danach hörte er die Stimme eines Deutschen, welche rief:
„English soldier“, „English soldier, a merry christmas, a merry
Christmas!“ Zu diesem Zeitpunkt blieben die Briten noch ruhig –
sie schwiegen. Zu gut konnten sie sich daran erinnern, dass deutsche
Soldaten an der Westfront vorgaben sich zu ergeben und als daraufhin
die Briten ihre Waffen senkten, wurden sie aus dem Hinterhalt
erschossen. Dies wussten die britischen Soldaten allesamt aus der
englischen Zeitschrift namens „The Sphere“. An diesem
denkwürdigen Weihnachtsabend dachten die Briten sofort an dieses
Ereignis.
Frederick W.
Heath berichtete in seinen Schilderungen davon, dass es allerdings
etwas gab, was noch viel stärker als die Angst war. Immer mehr
Briten überwanden die eigene Furcht und erwiderten lauthals den
Weihnachtsgruß ihrer Feinde. Sie hörten die Weihnachtslieder der
Deutschen, welche sie aus ihren Schützengräben sangen und vernahmen
das Pfeifen von Flöten. Die Briten antworteten mit ihren eigenen
Weihnachtsliedern.
In der
Dämmerung, als der Himmel sich rosa verfärbte, konnten sie ihre
Feinde erkennen. Diese stiegen völlig unbekümmert aus ihren
Schützengräben. Frederick bewunderte ihren Mut, weil es für die
Briten ein einfaches gewesen wäre, sie nun der Reihe nach
abzuknallen. Sie schossen allerdings nicht, sondern riefen ihre
Segenswünsche in die Richtung jener Männer, mit welchen sie noch
kurz zuvor gekämpft hatten. Die Deutschen forderten die Briten auf,
ebenso ihre Stellungen zu verlassen, damit man sich auf halbem Wege
begegnen könne. Während die Briten noch zögerten, liefen die
Deutschen mit den Händen auf den Köpfen auf die Briten zu. Nun
konnte auch die Briten nichts mehr davon abhalten, es ihren Feinden
gleichzutun und so verließen auch sie ihren Schützengraben.
Frederick schilderte, dass viele Briten nur deshalb ihre Stellungen
verlassen haben, um am Ende nicht als Feiglinge zu gelten. Die
meisten von ihnen waren auch nur einfach schrecklich müde und hatten
es satt ständig zu kämpfen und das ewige, unnütze Blutvergießen
zu verlängern. Jeder pochte darauf, dass es doch wenigstens zu
Weihnachten ein Ende des kriegerischen Wahnsinns geben müsse.
Die Deutschen
und Briten streckten sich einander die Hände entgegen und sie
schüttelten diese, wie gute Freunde es eben machen.
Selbstverständlich war stets ein Misstrauen dabei, aber die Gegner
standen nicht nur beisammen, sondern redeten auch miteinander. Die
Soldaten tauschten untereinander Adressen und Zigaretten aus und die
Briten schenkten ihren deutschen „Kollegen“ den traditionellen
Christmas Pudding. Das ist jenes Fleischgericht, welches in England
am ersten Weihnachtstag gegessen wird. Frederick W. Heath schrieb
dazu, dass nach dem ersten Bissen des Gegners, diese nun „Freunde
für immer“ waren.
Ein ganz
besonderes Highlight war ein Fußballmatch zwischen Sachsen und
Schotten. Ein deutscher Soldat schrieb dazu trefflich, dass es vor
allem deshalb so vergnüglich war, weil es zwischendurch immer wieder
großes Gelächter gab, wenn ein Schotte zeigte, dass er unter seinem
Rock nichts an hatte.
Die große
Frage stellt sich da natürlich, wie man einen „Feind“ weiter
bekämpfen kann, nachdem man ihm „Frohe Weihnachten“ gewünscht,
mit ihm Lieder gesungen, Fußball gespielt, Bilder seiner Frau und
Kinder gezeigt, Zigaretten geschenkt hat... Es ist richtig, dass es
Verbrüderungen gab, welche bis in den Jänner hinein gedauert haben
und die Offiziere hatten sehr wohl bereits große Bedenken, dass die
eigenen Soldaten überhaupt nicht mehr kämpfen wollen. Für den
Fall, dass sich die Soldaten einen Schießbefehl widersetzten, wurden
ihnen drakonische Disziplinarstrafen angedroht. Es durfte ganz
einfach nicht sein, dass die Kämpfe nicht weitergehen. Einige wenige
Augenblicke des Widerstands gab es fast überall, aber die waren
schnell gebrochen.
Ein britischer
Soldat schrieb davon, dass in seinem Schützengraben der Kampf wieder
aufgenommen werden musste, als die deutschen Soldaten noch dabei
waren ihre Weihnachtslieder zu singen. Wenige Augenblicke später
ertönten statt der Weihnachtslieder, lediglich Schmerzensschreie.
Frederick W. Heath meinte zum Wiederbeginn der Kampfhandlungen
folgendes an: „Wir sind schon wieder dabei die Gegner zu beschießen
und diese schicken uns die Grüße wieder zurück...“
Wo genau
Frederick W. Heath gekämpft hatte, kann man heutzutage nicht mehr
feststellen und auch nicht ob er den Ersten Weltkrieg überlebt hat,
wissen wir nicht. Dank ihm und seinen Schilderungen, welche die
„North Mail“ am 9. Jänner 1915 veröffentlicht hat wissen wir
allerdings, was sich an diesem denkwürdigen Weihnachtsabend
zugetragen hat. Viele andere vor Ort anwesende Zeitzeugen beschrieben
uns ebenfalls den einzigartigen Weihnachtsfrieden des Ersten
Weltkriegs.
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