Bisherige Isolations-Experimente
Die bisherigen Probant*innen wurden wochen- oder monatelang in Nachbauten von künftigen Raumkapseln und/oder Raumstationen eingesperrt. Ob es einen Kontakt zur Außenwelt gab? Ja, aber genauso wie es während eines Weltraum-Flugs wäre, fand die Kommunikation mittels Funkverbindung statt. Es wurde also ein Funkkontakt zur Bodenstation simuliert. Selbstverständlich gab es dabei dieselbe Zeitverzögerung, wie sie unter den realen Bedingungen auch geschehen wäre.
Eines der besten Beispiele ist das Mars-500-Experiment gewesen, welches in Moskau stattgefunden hat. Sechs Teilnehmer haben dabei 520 Tage lang, inklusive der Landung auch einige Andockmanöver einer Mars-Mission simuliert. Ach ja und für die verzögerte Kommunikation mit der Außenwelt hat man jedes Mal bis zu zwanzig Minuten verstreichen lassen. Während der gesamten Mission, ließ die Kommunikation der Besatzung mit der Bodenstation, sowie der Informationsgehalt der übermittelten Nachrichten, sukzessive nach.
Wie sehr sich die Crew von der Außenwelt abkoppelte, kann man daran erkennen, dass die Dauer und die Häufigkeit der Funkkontakte, im Laufe der Zeit, drastisch zurückging. In der ersten Woche der Mission gab es 320 Audio-Anrufe, welche insgesamt elf Stunden dauerten. Als sich die Crew in der letzten Woche ihrer Mission befand, gab es nur noch 34 Audio-Anrufe mit einer Gesamtdauer von einer Stunde. Die Besatzung hatte, nach Meinung der Wissenschaftler, eine psychologische Autonomisierung durchlebt und immer eigenständiger agiert. Rat und Tat durch die Bodenstation war nicht mehr erwünscht. Im Gegensatz zur Entfremdung zur Außenwelt ist die Crew immer mehr zusammengewachsen.
Die Leiterin vom Institut für biomedizinische Forschung in Moskau, Natalia Supolkina erklärte, dass beide Seiten, mit der Kommunikation immer unzufriedener wurden. Überrascht war man auch darüber, dass die Crew immer öfter Entscheidungen traf, ohne dabei Rücksprache mit der Bodenstation zu halten. Da stellt sich die Frage, ob diese Entfremdung, ganz speziell nur für diese Besatzung gegolten hat, oder ob es sich dabei eher doch um ein Phänomen von Langzeitmissionen handelt.
Was galt es also zu tun? Gemeinsam mit ihrem Team, hat Natalia Supolkina zwei weitere Isolations-Experimente durchgeführt, um zu überprüfen, ob es nur an der Crew lag. Die Isolations-Missionen trugen die Namen SIRIUS-17 und SIRIUS-19. Es wurde jeweils dasselbe „Raumschiff“ wie bei Mars-500 genutzt Der Unterschied lag allerdings darin, dass die Isolations-Experimente lediglich 17 bzw. 120 Tage dauerten.
SIRIUS-17 hatte die Aufgabe, einen Mondflug zu simulieren. Mit an Board waren Natalia Lysowa, Anna Kikina, Elena Lutschizkaja, Ilja Rukawischnikow, Mark Serow und Viktor Fetter. Mark Serow wurde übrigens zum Expeditionsleiter bestimmt. Wie bei einer echten Mond-Mission wurde der Funkverkehr, gleich nach dem Start, um fünf Minuten verzögert.
Was wollten die Forscher*innen durch SIRIUS-17 in Erfahrung bringen?
Man wollte sehen, wie eine gemischte Mannschaft auf engstem Raum (in einem Raumschiff) zusammenleben kann. Ein weiteres Ziel war, dass man herausfinden wollte, wie sich die Crew-Mitglieder verhalten, wenn es einen beinahe vollständigen Kontaktabbruch zur Erde gab. Wie würde sich das Kooperationsvermögen der Besatzungsmitglieder entwickeln? Ganz nebenbei war es für die Wissenschaftler natürlich auch interessant zu sehen, wie sich das Immunsystem der Crew verhält und die Erprobung von Elementen eines Fluges zu einer zukünftigen Mond-Orbit-Station war natürlich auch interessant.
Das SIRIUS-19-EXPERIMENT
Beim SIRIUS-19-Experiment sind daher unter dem Kommando des 44-jährigen russischen Kosmonauten Yevgeny Tarelkin, der bereits eine "echte" Weltraummissionen bestritten hat, Reinhold Povilaitis und Allen Mirkadyrov (beide aus den USA) sowie Daria Zhidova, Anastasia Stepanova und Stephania Fedeye (jeweils aus Russland) zu der viermonatigen simulierten Mondreise aufgebrochen.
Die Wissenschaftler ließen nichts unversucht, um die Kommunikation mit der Crew zu analysieren. Es wurden sowohl die inhaltlichen als auch die akustischen Merkmale des Funkverkehrs analysiert. Außerdem versuchte man die Mimik und das Verhalten der Crew-Mitglieder, durch die unzähligen Videoaufnahmen, welche aus dem Innenraum des Raumschiffs stammten, richtig zu deuten und entschlüsseln.
Bei den SIRIUS-Missionen wurde ebenfalls entdeckt, dass sich die Crew-Mitglieder immer mehr annäherten. Das konnte man bereits daran erkennen, dass sich die Kommunikations-Stile der Crew-Mitglieder immer mehr ähnelten und auch der Zusammenhalt wurde immer enger. Das war nicht unbedingt absehbar, weil die Besatzung, im Bezug auf Geschlecht, den kulturellen Hintergrund durchmischt war und es stark ausgeprägte individuelle Unterschiede gab. Irgendwie erstaunlich, dass sich die Unterschiede zwischen Mann und Frau immer mehr verringerten.
Es ist jedenfalls vielversprechend, dass die Crews, bei längeren Raumfahrt-Missionen, wohl enger zusammenwachsen. Der Zusammenhalt würde den Team-Mitgliedern dabei helfen, kommende und auch nicht vorhersehbare Probleme gemeinsam zu lösen. Fakt ist aber auch, dass man sich darüber Gedanken machen muss, dass sich die Crew, im Laufe einer Langzeit-Mission immer mehr von der Erde entkoppelt.
Für die Wissenschaftler ist es daher auch logisch, dass noch zahlreiche weitere Isolations-Experimente folgen müssen, um festzustellen, wie stark sich bei einer Langzeit-Mission, das Sozialverhalten und die Psyche der Raumfahrt-Crew ändert. Nähere Aufschlüsse dazu wird es am Ende von SIRIUS-21 geben. Dieses Projekt ist am 4. November 2021 gestartet und soll 240 Tage dauern. Die Crew-Mitglieder sind Oleg Blinov, Viktoria Kirichenko, Ekaterina Kariakina, William Brown, Ashley Kowalski und Saleh Omar Al Ameri.
Die Rückschlüsse aus diesem Isolations-Experiment werden gewiss großen Anteil an der ersten bemannten Mars-Mission haben, welche wir in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre erleben werden.
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