Die
freigelassene Chelsea Manning (vormals Bradley Manning) hat in einem
ersten Fernsehinterview
mit dem US-amerikanischen Sender ABC über ihre siebenjährige Haft,
ihre Freilassung, die Rückkehr in den Alltag und über die
Beweggründe, geheime Dokumente an die Öffentlichkeit zu bringen,
gesprochen. Als Motiv für ihre „Leaks“ hat Sie ihre
"Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit" gespürt,
die Unterlagen weiterzugeben. Durch ihre Tätigkeit als Analystin der
Armee hat sie im Irak erlebt, welche Schäden "Tod, Zerstörung
und Chaos" den Menschen zufügen. Für die Veröffentlichung hat
sie selbst die volle Verantwortung übernommen und noch einmal
explizit darauf hingewiesen, dass ihr niemand aufgetragen habe, es zu
tun.
Chelsea
Manning hat Wikileaks tausende Dokumente zugespielt. Das wohl
„herausragendste“ war jenes Video mit dem Titel „Collateral
Murder“. Bei den am 12. Juli 2007 in Bagdad getätigten Aufnahmen
ist zu sehen, wie irakische Zivilisten und Journalisten der
Nachrichtenagentur Reuters, durch einen US-amerikanischen
Kampfhubschrauber beschossen und getötet wurden. Manning hat auch
Aufnahmen des Luftangriffs bei Garani (Afghanistan) vom 4. Mai 2009
veröffentlicht.
Die
Whistleblowerin wurde im Camp Arifjan in Kuwait festgehalten und Ende
Juli 2010 in ein Gefängnis auf der Marine Corps Base Quantico
verlegt. Es folgte eine extreme Einzelhaft. Es gab keinerlei Zugang
zu Nachrichten oder/und aktuelle Informationen und Manning durfte die
Zelle 23 Stunden am Tag nicht verlassen. Bettlaken und Kissen wurden
ihr verwehrt. Die Bedingungen entsprachen denen eines
Supermax-Gefängnisses. Supermax ist die Kurzbezeichnung für Super
Maximum Security prison. Es handelt sich also um eine Art
Hochsicherheitsverwahrung für Schwerstkriminelle mit Isolationshaft.
Der
Verteidiger David Coombs gab bereits im März 2011 bekannt, dass
Manning eines Tages die Kleidung abgenommen wurde und sie darauf
gezwungen war, sieben Stunden lang nackt in der Zelle auszuharren.
Danach musste sie nackt vor der Zelle antreten. Die gleiche
erniedrigende Form der Behandlung wurde wochenlang wiederholt. Diese
Vorgangsweise wurde von Brian Villiard (ein Sprecher des
Gefängnispersonals) unter der Berufung auf die Gefängnisregeln,
bestätigt.
Am 19. April
2011 wurde Manning in ein Gefängnis in Fort Leavenworth, Kansas,
überstellt. Dort wurde die Whistleblowerin auf ihren Geisteszustand
untersucht. Die Haftbedingungen wurden verbessert, die Möglichkeit
aber regelmäßigen Kontakt zu Anwalt und Familienangehörigen zu
haben, durch die größere Entfernung, jedoch rschwert.
Bereits gegen
Ende 2010 wies der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald auf
die desaströsen Haftbedingungen von Manning hin und bekam für
diesen mutigen Bericht einen Preis für Onlinejournalismus
zugesprochen.
Nachdem im
Jänner 2011 ein Brief von Amnesty International an die US-Regierung
mit der Forderung, um eine Verbesserung der Haftbedingungen noch zu
keinem Erfolg führte, veröffentlichten die beiden renommierten
Juristen Bruce Ackerman und Yochai Benkler einen weiteren offenen
Brief an Barack Obama. Sie bezeichneten Mannings Haftbedingungen als
erniedrigend, unmenschlich, illegal und unmenschlich. Sie wiesen auf
das im achten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten
festgeschriebene Verbot einer grausamen und ungewöhnlichen
Bestrafung und die im fünften Verfassungszusatz fixierte Garantie
gegen eine Bestrafung ohne vorausgegangenes Verfahren hin. Diesem
Schreiben schlossen sich 250 führende US-amerikanische Juristen,
durch ihre Unterschrift, an.
In der
US-Politik sorgte „der Fall Manning“ für heftige Kontroversen.
Während Mike Huckabee, Mike D. Rogers und andere US-Politiker gar
die Todesstrafe forderten, kritisierte der demokratische Abgeordnete
Dennis Kucinich die Haftbedingungen und nannte diese „eine Art
Folter“ mit dem kalkulierten Versuch die Gefangene zu bestrafen und
geistig „zu brechen“. Philip Crowley, der Sprecher der damaligen
US-Außenministerin Hilliary Clinton, bezeichnete die Behandlung
Mannings gar als lächerlich, kontraproduktiv und dumm. Nachdem dies
öffentlich wurde, musste er allerdings seinen Rücktritt erklären.
Nach welchen
Punkten wurde Manning letztendlich angeklagt? Nach Artikel 92
(Befehls- oder Regelverweigerung), Artikel 134 (Generalklausel) des
Uniform Code of Military Justice (einheitliches Gesetz der
Militärgerichtsbarkeit), dann noch wegen Geheimnisverrat und
unerlaubten Übertragens geheimer Informationen. Ganz konkret wurde
Manning vorgeworfen geheime Daten auf seinen Rechner übertragen und
eine nicht zugelassene Computersoftware einem geschützten
Computersystem hinzugefügt zu haben, als auch Informationen zu
nationalen Verteidigung an eine nicht befugte Quelle vermittelt,
übertragen und geliefert zu haben. Der Strafrahmen betrug dafür bis
zu 52 Jahre Gefängnis.
Der
Generalbundesstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, Eric Holder, erwog
einst sogar Chelsea Manning eine Form des Plea Bargaining anzubieten.
Hätte Manning zugegeben, dass Julian Assange sie zu der Tag
angestiftet habe, hätten ihr Hafterleichterungen oder ein geringes
Strafausmaß zugesagt werden können. Rein zufällig wäre den
US-amerikanischen Behörden die juristische Verfolgung von Julian
Assange, drastisch erleichtert worden.
Der
schwerwiegendste Vorwurf gegen Manning lautete allerdings auf
„Kollaboration mit dem Feind“. Für diesen hat der
Whistleblowerin gar die Todesstrafe gedroht. Manning habe die
Dokumente in dem Wissen an die Öffentlichkeit gebracht, dass Feinde
der Vereinigten Staaten darauf Zugriff erhalten würden. Manning habe
durch die Nennung der Namen von US-Informanten deren Leben gefährdet.
Die Anklage sprach sich zwar „nur“ für eine lebenslange
Haftstrafe aus, eine Empfehlung, welcher ein Gericht in einem Prozess
jedoch nicht nachkommen musste. Letztendlich sollte die Haftzeit 35
Jahre betragen.
Der
Ex-US-Präsident Barack Obama erließ ihr kurz vor Ende seiner
Amtszeit den Rest ihrer Haftstrafe. Während ihrer Zeit im Gefängnis,
hatte Manning mehrmals versucht, Selbstmord zu begehen. 2016 trat sie
auch kurzzeitig in den Hungerstreik. Manning sagte, sie habe seit
ihrer Freilassung nicht mit Obama gesprochen. Im Interview dankte sie
ihm nun aber unter Tränen für die drastische Verkürzung ihrer
Haftstrafe. "Ich habe eine Chance bekommen, mehr wollte ich
nicht", so Manning.
Herzlichen
Dank an Chelsea Manning für den Mut zur Veröffentlichung der
Wahrheit!
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