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Dienstag, 8. Januar 2019

Der Hunger ist keine Schlagzeile wert

Es ist mir ein Anliegen über den „Zustand der Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung der Welt im Jahre 2018“ zu berichten. Die folgenden Zahlen sind dem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entnommen Laut dem Bericht für das Jahr 2018, leiden weltweit 821 Millionen Menschen an Hunger. Das betrifft also 12 % der Menschheit. Es ist festzuhalten, dass die Anzahl der Personen welche hungern wieder zugenommen hat, das Ziel im Jahre 2030 eine Welt ohne Hunger zu haben sich weiter entfernt hat und der Hunger in Afrika und Lateinamerika sogar stark zugenommen hat.

Die Gründe für die Zunahme des weltweiten Hungers sind nicht nur kriegerische Konflikte und ökonomische Krise. sondern vor allem die Klimaänderungen, welche einen massiven Einfluss auf die Verteilung des Regens und die Abfolge der Jahreszeiten in der Landwirtschaft sowie extreme Wetterphänomene wie Überschwemmungen und Dürren hervorbringen.

Die FAO empfiehlt daher Maßnahmen zu ergreifen, welche zum Ziel haben den Widrigkeiten des Lebens entgegenzutreten und die Anpassungsfähigkeit der Lebensmittelsystem und der Existenzgrundlagen der Bevölkerung an die stattfindende Klimaveränderung nicht nur zu verstärken sondern auch zu beschleunigen.

Wie liest sich die Definition von Hunger bei der FAO? „Es handelt sich sich um eine Person, welche nicht die Anzahl Kalorien bekommt, die sie für ihre physiologischen Bedürfnisse und für ihre physischen und geistigen Aktivitäten benötigt".

Vor einigen Jahren gab es deshalb Hunger, weil es einen Mangel an Lebensmittel gab, doch davon kann man heutzutage nicht mehr sprechen. Weltweit dürften etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden.

Damit ihr eine bessere Vorstellung von dieser Menge bekommt ist festzuhalten, dass dies ungefähr einem Drittel jener Menge entspricht, welche für den menschlichen Verzehr „erzeugt“ wird. Diese 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel entsprechen ungefähr 990 Milliarden US-Dollar.

Gehen wir nun gedanklich zurück zum Vorabend der Finanzkrise, welche am 15. September 2008 begann. Die Finanzspekulation lief auf Hochtouren. Am 6. April des Jahres wurde an der Chicago Mercantile Exchange (CME, der Börse für Rohstoffe und Commodities in Chicago) eine Tonne Weizen für den Preis von 400 Dollar gehandelt. Fünf Jahre davor, konnte man ihn um 125 Dollar erwerben. Ähnliche Preissteigerungen gab es auch bei Mais und Soja.

Der Weizen wurde zu jenem Produkt, welches weltweit am zweitmeisten konsumiert wurde – der erste Platz war der Milch und den Milchprodukten vorbehalten. Die Weizenproduktion stieg auf nunmehr 722 Millionen Tonnen pro Jahr und jetzt marschieren wir wieder zurück zu der Chicagoer Börse. Dort wird jährliche eine Weizenmenge gehandelt, welche dem fünfzigfachen der Weltproduktion entspricht. An der Börse wird jedes in den USA, Argentinien, Braslien, Chile und der EU... produzierte Maiskorn fünfzig Mal gekauft und wieder verkauft. Nein, stimmt so nicht. Es wird insgesamt fünfzig Mal eine Verkaufsvorgang simuliert!

Wer etwas auf einer Börse verkaufen will, muss es nicht physisch besitzen. Es werden an der Börse lediglich Unbestimmtheiten, Verabredungen und Versprechungen verkauft, welche auf dem Bildschirm eines Computers erscheinen.

Mit diesen lediglich fiktiven Operationen (Termingeschäfte, Futurures, Optionen auf Lebensmittel, Optionen auf Rohstoffe) verdienen jene Menschen, welche sich damit auskennen ein Vermögen. Diese Art von Finanzgeschäfte nenne ich eine Derivatenblase.

Nun entführe ich sie zur Herstellung von Ethanol. Dies ist jener biologische Brennstoff, welcher auf der Basis von beispielsweise Mais und Zuckerrohr produziert werden kann.

Die weltweit führende Position in der Produktion nimmt die USA ein. Die USA produzieren jährlich etwa 357 Millionen Tonnen Mais und somit etwa 35 % der Weltproduktion. Mittels Bundesgesetz sind die USA dazu verpflichet, 40% des erzeugten Mais zur Produktion von Ethanol zu verwenden. Mit anderen Worten, es sollen damit die Kraftfahrzeuge betankt werden. Damit man ein „Standardfahrzeug“ mit Ethanol befüllen kann, benötigt man dafür etwa 170 Kilogramm Mais.

Wir merken uns die 170 Kilogramm Mais für eine Tankfüllung und stellen fest, dass der Mais jenes Lebensmittel ist, wonach weltweit am meisten Bedarf herrscht.

Ein hungriges Kind aus Afrika oder Lateinamerika kann mit einer Tankfüllung Ethanol, also den dafür notwendigen 170 Kilogramm Mais, ein ganzes Jahr ernährt werden.

Die USA erzeugen über derzeit mehr gelben als weißen Mais. Warum? Weil der gelbe Mais zum Ausgangsmaterial für Ethanol geworden ist. Ist das nicht völlig egal? Leider nein, weil dieser Wandel auch dazu geführt hat, dass es bei Maismehl eine Preiserhöhung gegeben hat. Das ist allerdings nicht das einzige Produkt, welches teurer wurde. Die Eier und das Fleisch der Hühner wurde nun ebenfalls teurer. Die Hühner müssen ja schließlich mit Mais gefüttert werden.

Viele Puzzleteile führen also dazu, dass der Hunger weltweit zu- und nicht abnimmt.

Die große, öffentlich zur Schau gestellte Sorge von PolitikerInnen über die Armut und den Hunger sind keinerlei Erwähnung wert, wenn keine Handlungen passieren, denn mit Worten alleine wird niemand satt.



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