Die soziale Anerkennung ist ein
Grundbedürfnis wie Essen, Trinken oder Schlafen und die gegenseitige
Anerkennung ist wichtig für jede Art von Zusammenleben. Wo die
Anerkennung als Person und für das eigene Handeln fehlt, fühlen
sich Menschen irgendwann unsichtbar. Wer nicht anerkannt wird, gerät
in Gefahr, zum Außenseiter zu werden.
In der häuslichen Pflege wird in der
Regel durch pflegende Angehörige nicht die viele Arbeit, sondern das
Gefühl sich immerzu anzustrengen, ohne dafür Anerkennung zu
bekommen beklagt. Je größer die Diskrepanz zwischen enormer
Anstrengung und geringer Wertschätzung ist, umso größer ist der
emotionale Stress, welcher zu körperlichen und seelischen
Alarmzeichen führen kann. Die Folge können Unzufriedenheit,
Resignation, Depression oder/und eine Krankheit sein.
In unseren Breiten erfahren pflegende
Angehörige eine noch geringere Anerkennung als beruflich Pflegende.
Die selbst organisierte häusliche Pflege ist gesetzlich nicht
gleichberechtigt zur ambulanten Pflege durch einen Dienstleister oder
zur stationären Pflege – trotz der weithin erhobenen Forderung
„ambulant vor stationär“. Welch netter Widerspruch...
Die sozialen Sicherungsleistungen für
pflegende Angehörige sind wohl eher mit einer „Belobigung“ als
mit einer echten Anerkennung durch die Politik und Gesellschaft zu
bezeichnen. Wird von schlechten Bedingungen in der Pflege gesprochen,
sind damit beruflich Pflegende, aber nicht die pflegenden
Angehörigen, oder ehrenamtlichen „Laienpfleger“ gemeint. Ohne
Lobby gibt’s für die pflegenden Angehörigen auch keine
gleichberechtigte Wertschätzung und damit verbunden
„selbstverfreilich“ auch keine Anerkennung.
Im Austausch mit Anderen entwickelt der
Mensch seine Identität, seine Eigenschaften und seine
Persönlichkeit. Durch die Reaktionen unserer Umwelt entwickeln und
bewahren wir unser Selbstwertgefühl.
Sind pflegende Angehörige
gesellschaftlich akzeptiert? Erhalten sie Lob und Respekt für ihre
Entscheidung einen nahen Angehörigen oder eine ihnen nahe stehende
Person zu pflegen? Werden diese Menschen wertgeschätzt für ihre
Tätigkeit und können sie aus dieser Wertschätzung ein hohes
Selbstwertgefühl ableiten? Das ist leider selten der Fall.
Was ist das für ein Phänomen, dass
wir uns mit Anerkennung so schwertun? Die meisten wissen oder ahnen
zumindest, dass das Anerkennen wichtig ist, aber anscheinend wissen
viele nicht, wie Anerkennen wirklich geht. Pflegende Angehörige
brauchen eine ernst gemeinte, soziale, gesellschaftliche und
politische Anerkennung.
Anerkennen braucht zunächst das
Erkennen. Um zu erkennen, muss ich kennen. Und wann kennen wir? Wenn
wir gesehen, wahrgenommen und im besten Fall selbst erfahren, bzw.
erlebt haben. Häusliche Pflege und das Engagement pflegender
Angehöriger findet aber zumeist im Verborgenen statt. Aus den Augen,
aus dem Sinn – so erleben es häufig pflegebedürftige Menschen und
ihre Angehörigen.
Viel Arbeit ist daher notwendig um ein
Bewusstsein dafür zu schaffen, dass dies was hinter verschlossenen
Türen durch pflegende Angehörige tagtäglich geleistet wird,
anerkennenswert ist.
Apropos Wert:
Anerkennung wird häufig mit
Wertschätzung in Zusammenhang gebracht. Wird das, was pflegende
Angehörige täglich leisten auch wirklich als wertvoll angesehen?
Ihre Arbeit wird nicht mit derselben Wertigkeit anerkannt wie die
einer Pflegefachkraft – weder ideell noch finanziell. Häufig
müssen sich pflegende Angehörige sogar belächeln lassen, wenn sie
ihrer Umwelt erzählen, dass Sie pflegen. Ihre Arbeit wird auch nicht
gleichgesetzt mit der Eltern- oder Erziehungsarbeit.
Die pflegenden Angehörigen haben es
vielerorts nicht ins öffentliche Bewusstsein geschafft.
Damit geringschätzt man zum einen die
Motive, aus denen heraus die meisten ihre Angehörigen pflegen -
nämlich Liebe und Verantwortungsbewusstsein und zum anderen
geringschätzt man auch den menschlichen und sozialen Wert ihrer
Arbeit und den Wert für die Gesellschaft.
Der größte Pflegedienst der Nation
ermöglicht seinen Angehörigen ein grösst- und längstmögliches
selbstbestimmtes Leben. Pflegende Angehörige ersparen der
Gemeinschaft Kosten in Milliardenhöhe, welche ansonsten für die
Pflege in stationären Einrichtungen aufgewendet werden müssten.
Ohne sie wäre der Fachkräftemangel in der (beruflichen) Pflege noch
viel deutlicher zu spüren als bereits jetzt.
Ihr Wert kann also eigentlich gar nicht
hoch genug eingeschätzt und anerkannt werden. Vom guten Gefühl,
jemanden die bestmögliche Pflege zu geben, kann man nicht leben. Man
braucht soziale Kontakte und materielle Sicherheit. Man will soziale
Anerkennung und auch die Möglichkeit haben sich selbst zu
verwirklichen. Außerdem benötigt man Zeit für die eigene
Regeneration, um ja nicht auszubrennen.
Jeder kann einen Beitrag dazu leisten,
dass die häusliche Pflege aufrichtig wertgeschätzt und anerkannt
wird. Pflegende Angehörige sollten sich selbst, für das was Sie
tun, mehr loben – auch öffentlich.
Wer sich selbst wertschätzt, tritt
anders auf, wird anders oder vielleicht sogar erstmals wahrgenommen
und anerkannt.
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