Lediglich
acht Stunden nachdem Evo Morales für Bolivien Neuwahlen angekündigt
hat, ist er als Staatspräsident zurückgetreten. Davor legten
bereits zahlreiche
Gouverneure, Bürgermeister, Abgeordnete und Senatoren seiner Partei
ihre Ämter zurück und das Militär hat Morales zum Rücktritt
aufgefordert. Zitat
Evo Morales: „Ich
trete zurück, damit unsere Brüder in politischen Posten nicht
weiter verfolgt werden. Ich bedaure diesen Putsch sehr. Ich möchte
euch sagen, Brüder und Schwestern, der Kampf endet hier nicht. Wir
werden diesen Kampf für Gleichberechtigung in Frieden fortsetzen"
.
Der
Beginn der sich nunmehr überschlagenden Ereignisse Boliviens war ein
Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), in dem
mögliche „Unregelmäßigkeiten“ bei den Wahlen die Rede ist. Es
folgten Handlungen von Opposition, Militär und Polizei, welche einem
Putschversuch entsprachen. Auf
Druck des OAS Generalsekretärs Luis Almagro, veröffentlichte die
OAS einen Bericht, in welchem die Abhaltung von Neuwahlen empfohlen
wurde. Zitat aus dem Bericht: „Auch wenn der Bericht demnach
keine Beweise für einen Wahlbetrug vorlegt und es statistische
Prognosen gäbe, deren Berücksichtigung es möglich machen, dass
Morales die Wahl gegenüber seinem Herausforderer Carlos Mesa
gewonnen hat, sei es jedoch statistisch unwahrscheinlich, dass
Morales eine zehnprozentige Differenz erreicht hat, um eine zweite
Runde zu vermeiden". Dies war der Grund, warum die OAS
Neuwahlen empfahl.
Nach
der Veröffentlichung erklärte Morales auf einer Pressekonferenz,
dass er neue landesweite Wahlen, unter der Einbeziehung neuer
politischer Akteure, durchführen wolle. Er sehe es als seine
Hauptaufgabe „Leben zu schützen
sowie Frieden, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und
die Einheit der Bolivianer zu bewahren". Binnen
kürzester Zeit stellten sich die Polizisten auf die Seite der
oppositionellen Proteste. Unabhängige Medien berichteten davon, dass
Demonstranten, unter dem Einsatz von Gewalt, staatliche
Medieneinrichtungen attackierten. Außerdem wären sie in jene Häuser
ein-gedrungen, welche den Mitgliedern des Regierungs-bündnisses MAS
gehörten und hätten Gewalt gegen deren Familienmitglieder
angewandt, sowie Feuer gelegt, um die Politiker zum Rücktritt zu
zwingen.
Der
Versuch von Evo Morales die politischen Parteien zum Dialog zu
bewegen, um eine Eskalation der Geschehnisse zu vermeiden, scheiterte
an den Oppositionspolitikern Mesa, Ortiz und Camacho.
Ernesto
Samper, ehemaliger Präsident von Kolumbien, rief das bolivianische
Volk dazu auf, sich keinesfalls am Putsch zu beteiligen, um nicht in
die Zeiten einer Militärdiktatur zurückzufallen.
Der
honduranische Ex-Präsident Manuel Zelaya, verurteilte die
Ausschreitungen und rief zur Akzeptanz des Wahlergebnisses auf. Die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini begrüßt den Schritt der
bolivianischen Regierung, Neuwahlen auszurufen. Dies geschah noch
kurz vor dem Rücktritt von Evo Morales. Währenddessen
hat Ex-Präsident Evo Morales das Asyl-Angebot der mexikanischen
Regierung angenommen und Bolivien verlassen.
In
Lateinamerika ist der Putsch gegen Evo Morales auf sehr heftige
Kritik gestoßen.
Der
venezolanische Präsident Nicolas Maduro:“Wir
verurteilen entschieden den Staatsstreich gegen unseren Bruder,
Präsident Evo Morales".
Der
kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel: „Die
Rechte bedroht mit einem gewaltsamen und feigen Staatsstreich die
Demokratie in Bolivien“.
Der
brasilianische Ex-Präsident Lula da Silva: „Es
ist ein Unglück, dass Lateinamerika eine wirtschaftliche Elite hat,
die nicht mit der Demokratie und der sozialen Inklusion der Ärmsten
leben kann. Es ist eine "Niederträchtigkeit", den Wahlsieg
von Morales nicht anzuerkennen.“
Der
neu gewählte argentinische Präsident Alberto Angel Fernandez: „Die
Vorgänge in Bolivien sind inakzeptabel“.
Er bezog in seinen Ausführungen klar und deutlich Stellung gegen
„den
laufenden Staatsstreich“.
Besonders
drastisch war (nicht gerade überraschend) die Ablehnung aus
Venezuela: „Es
handelt sich um eine ausgeklügelte Operation, die von
radikal-rassistischen Sektoren der politischen Opposition, privaten
Medien, der US-Botschaft und der Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS)durchgeführt wird. Damit werde versucht, die bolivianische
Gesellschaft zurück in die Zeiten von Diktaturen und neoliberaler
Politik zu versetzen, die natürlichen Ressourcen des bolivianischen
Volkes zu privatisieren und sie den Plänen des Weißen Hauses und
transnationaler Unternehmen zu unterwerfen".
Der
mexikanische Präsident Amlo würdigte das Handeln von Evo Morales
(die Ausrufung von Neuwahlen), als vorbildlichen Akt, um „sein
Volk nicht der Gewalt auszusetzen“.
Außenminister Marcelo Ebrard forderte die Respektierung der
Verfassung und der Demokratie in Bolivien ein. Er bezeichnete die
Geschehnisse als Staatsstreich.
Die
Regierung Uruguays bezeichnete die Vorgänge in Bolivien ebenso als
Putsch. Zitat des Außenamts in einem Kommunique: „Wir
sind bestürzt
über den Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit, der in Bolivien
herbeigeführt wurde, den Rücktritt des Präsidenten erzwang und das
Land in Chaos und Gewalt treibt. Es gibt kein Argument, welches diese
Handlungen rechtfertigen könnte, zumal nachdem Morales Neuwahlen
einberufen hatte“.
Die
europäische Linkspolitikerin Sahra Wagenkneckt spricht über die
Ereignisse in Bolivien von einem Anschlag auf die Demokratie,
soziale Gerechtigkeit und Unabhängigkeit in Lateinamerika.
Alle
sozialen Errungenschaften und die kulturellen Rechte der indigenen
Bevölkerung, die unter der Präsidentschaft von Morales geschaffen
wurden, stünden jetzt auf dem Spiel.
Immer
öfter gibt es aus Bolivien Berichte, dass die Polizei mit massiver
Gewalt gegen jene Demonstranten vorgeht, welche gegen den Putsch
protestieren. Es gibt bereits mehrere Verletzte durch Bleischrot.
Inzwischen
hat sich die zweite Vizepräsidentin des Senats und die Vertreterin
der Opposition, Jeanine Añez, das Recht genommen, zuerst das Amt
der Senatspräsidentin und dann die Verantwortung als
Übergangspräsidentin formell zu übernehmen, um Neuwahlen ausrufen
zu können. Die gute Dame ist deshalb zum Zug gekommen, weil
sämtliche potenzielle Nachfolger von Evo Morales, auf dieses Amt
verzichtet haben. Der Vizepräsident, die Präsidentin des Senats und
der Präsident der Abgeordnetenkammer sind allesamt zurückgetreten.
Somit befindet sich Jeanine Añez, zumindest vorübergehend, an der
Spitze von Bolivien und hat die Aufgabe, binnen 90 Tage eine Neuwahl
zu organisieren. Die
52-jährige Anwältin sitzt übrigens für das Department Beni im
Senat.
Der
Parlamentsabgeordnete der Partei Unidad Demócrata, Rafael Quispe,
und der Rechtsanwalt Omar Durán haben gegen Evo Morales ein
Verfahren wegen "Terrorismus,
bewaffnetem Aufstand, öffentlicher Aufforderung zur Begehung eines
Verbrechens und anderer Straftaten“
beantragt. Das Ziel ist es ihn strafrechtlich für den Widerstand
gegen den Staatsstreich, verbunden mit den Toten und Verletzten bei
den Demonstrationen, verantwortlich zu machen. Als Beweis führten
sie seine Veröffentlichungen in den sozialen Netzwerken und
Interviews, welche er nach seiner Ankunft in Mexiko gegeben hat, an.
Er habe damit Aufruhr, Diskriminierung, Gewalt, Hass und Rassismus
verbreitet. Wenn Morales nach Bolivien zurückkehre, werde man ihn
direkt ins Chonchocoro-Gefängnis stecken. Rechtsanwalt Durán
erklärte, dass gegen Morales auch zehn Anzeigen im Zusammenhang mit
Terrorismus vorliegen.
Jeanine
Añez hatte noch vorige Woche Morales damit gedroht, ihn wegen
Wahlbetrugs vor die Justiz zu bringen. Bis zum heutigen Tag liegt
kein einziger Beweis für eine Wahlfälschung auf den Tisch.
In
Bolivien selbst gibt es sehr wenig Informationen.
Fast
jede befragte Person bedankt sich bei der internationalen Presse,
dass sie hier ist und über die aktuellen Ereignisse berichtet.
Jene
bolivianischen Journalisten, welche nicht mit der Darstellung der
Putschisten konform gehen, werden an ihren Wohnorten und
Arbeits-plätzen oder per Telefon bedroht. Die
De-facto-Kommunikationsministerin hat bekräftigt, dass sie
„Journalisten
und Pseudojournalisten"
wegen „Aufwiegelung"
strafrechtlich verfolgen wird...
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