Montag, 12. Juli 2021

Ein Tag mit Sebastian Kurz

Es ist vier Uhr früh und mein Smartphone weckt mich mit dem Klingelton von Metallica und ihrem Song „Master of Puppets“. Passenderweise befindet sich auf dem anderen Ende der Leitung, der Pressesprecher von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Auf seine besonders liebevoll, schleimische Art wünscht er mir einen wunderbaren Guten Morgen und lädt mich dazu ein, den ganzen Tag mit Sebastian Kurz zu verbringen, damit ich meine Abneigung gegen den Kanzler ablege und selbst miterleben könne, welch ein liebenswerter Mensch er ist. Alles sei vorbereitet und über etwaige Inserate in meiner Zeitung könne man nach einem entsprechend huldvollen Artikel in meiner nächsten Ausgabe, gerne reden.

Ich mühe mich also aus dem Bett und stapfe in die Küche, um mir eine besonders große Tasse Schwarzen Kaffee zuzubereiten. Für einen ganzen Tag mit dem Bussi-Kanzler werde ich wohl einen ganzen Liter auf Ex trinken müssen.

Mit dem Taxi geht es dann nach Meidling und vor einem gepflegten Reihenhaus steige ich aus und werde bereits vom Eppi begeistert empfangen. Er teilt mir mit, dass unser aller Basti in Kürze fertig sei und ich inzwischen in der Küche Platz nehmen soll. Dort mache ich die Bekanntschaft von Susanne Thier, welche mich mit erhobenen Augenbrauen mustert und wissen will, ob ich der Bedauernswerte bin, welcher einen ganzen Tag mit ihrem ehemaligen Schulkollegen verbringen muss. Mit gesenktem Kopf bejahe ich ihre Frage und will von ihr wissen, warum sie von ihrem Liebsten als ehemaligen Schulkollegen und nicht als Freund oder Partner spricht. Sie zwinkert mir vielsagend zu und meint lapidar, dass eine WG mit dem Basti halt auch gewisse Vorteile hat. Danach verabschiedet sich die liebe Susi und wünscht mir viel Geduld und gute Nerven.

Während ich noch überlege, welche Art von Beziehung der Basti wohl mit der Susi hat, betritt unser aller Kanzler, gewandet im feinsten Zwirn und mit einem Meerschweinchen im Arm, die Küche. Er lächelt mir zu und fragt auf seine unvergleichliche charmante Art und Weise: „Na? Hamma schon g`frühstückt?“ Spätestens jetzt ist mir klar, dass es ein verdammt harter Tag wird und ich danach wohl einen mehrwöchigen Kuraufenthalt in Anspruch nehmen muss...

Kurz: Lieber Peter! Ich darf doch Peter zu Dir sagen? Du kannst mich ruhig Basti nennen. Alle meine gute Freunde dürfen nämlich Basti zu mir sagen. Pass auf lieber Peter. Du wirst mich heute zu allen meinen Terminen begleiten und ich wünsche mir, dass Du danach einen vollständigen und vor allem ehrlichen Artikel zu meinem unglaublich harten Arbeitsalltag verfasst, welcher schonungslos aufdeckt, wie sehr mir das Wohlergehen der Österreicher am Herzen liegt. Du siehst also, dass Deine Aufgabe in Wahrheit ganz einfach ist und über das diesbezügliche Honorar, werden wir uns nach Deinem Artikel schon einigen. Samma uns ehrlich. Von den paar Abos kannst ja sicher nicht leben und ich bin schon der Meinung, dass auch Du gut leben können solltest. Du schreibst zwar an und für sich gar nicht so schlecht, aber Du bist halt schon sehr, wie soll ich mich da jetzt am besten ausdrücken... nun ja, Du bist da mir gegenüber schon ein bisserl einseitig und voreingenommen. Das wird sich aber bestimmt ändern, wenn Du mich und alle meine guten Freunde erst einmal besser kennengelernt hast und dafür will ich Dir heute die passende Gelegenheit geben. Ist doch super. Gell! Also dann geht’s jetzt gleich los. Auf in die Lichtenfelsgasse!

Ich bin beeindruckt wie offen der Kanzler über seine Absichten spricht und kann es gar nicht erwarten ihn auffliegen zu lassen. Der Eppi spielt unseren Chauffeur und bringt uns also zum ersten Programmpunkt in die ÖVP-Parteizentrale. Dort angekommen begeben wir uns in einen Raum wo bereits Finanzmiinister Blümel und Innenminister Nehammer, voller Sehnsucht auf den Kanzler warten.

Kurz: Nau? Habt´s ihr schon g´frühstückt? Mein lieber Karl! Erzähle mir! Was gibt’s Neues zu berichten? Aber bitte erzähle mir nur die guten Sachen.

Nehammer: Melde gehorsamst, dass wir heute Nacht wieder fünf Menschen in ihre Heimat abgeschoben haben.

Kurz: Das freut mich lieber Karli. Das sind wahrlich gute Nachrichten. Was haben die Gfraster ausg`fressem?

Nehammer: Es handelte sich bei diesen Personen um eine Familie, wo der Vater sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht hat. Er wurde zwei Mal beim Schwarzfahren erwischt und deshalb bekam nun, quasi als abschreckende Wirkung, die ganze Familie, die volle Härte des Gesetzes zu spüren.

Kurz: Sehr brav! Wann werden die nächsten Mörder, Vergewaltiger oder Menschen, welche sonstige Gewaltverbrechen auf ihrer Liste haben, abgeschoben?

Nehammer: Das gestaltet sich vergleichsweise etwas Schwieriger, weil diese nach einer gerichtlichen Anklage zumeist untertauchen und wir nicht genug Personal haben, um nach ihnen zu suchen.

Kurz: Na macht nix lieber Karli. Wichtig ist, dass die Zahl der Abgeschobenen stimmt und wir der Bevölkerung damit beweisen können, dass wir jedes Jahr ganz viele Menschen in ihre Heimat, oder jene welche wir für die ihre halten, abschieben. Wenn wir schon bei den richtigen Zahlen sind, dann ist das gleich eine wunderbare Überleitung zu Dir Herz-Allerliebster Gernot. Wie geht’s Dir heute? Du schaust traurig aus. Was bedrückt Dich?

Blümel: Ich kann nicht verstehen, warum mich die Leute nicht mögen. Immer und überall gibt es in den Social-Media Kanälen, Spott und Häme für mich. Neuerdings existiert sogar ein Lied, in welchem ich von der Bierpartei furchtbar veroarscht werde. Schön langsam reicht`s mir! Muss ich mir das wirklich alles gefallen lassen? Ich bin ja auch nur ein Mensch!

Kurz: Na geh. Das ist ja furchtbar! Menschen können ja so grauslich sein. Du brauchst dringend einen guten Freund. Leg Dir doch einen Hund zu! Der ist immer auf Deiner Seite! Aber jetzt Schluss mit raunzen! Erzähle mir doch endlich positive News lieber Gernot!

Blümel: Also im Oktober werde ich zum zweiten Mal Vater und vor ein paar Tagen habe ich mir ein drittes Tattoo stechen lassen und noch heute werde ich mir im Laufe des Tages ein Piercing zulegen.

Kurz: Na super! Warum nicht gleich so liebster Gernot! Welches Motiv hat denn das Tattoo?

Blümel: Es zeigt die Kreativität meiner lieben Frau und deshalb ist darauf ein im Kinderwagerl befindlicher Laptop zu sehen.

Kurz: A ja. Darf ich fragen wo sich dieses Tattoo auf Deinem sportlich knackigen und durchtrainierten Körper befindet?

Blümel: Es ziert meinen imposanten Brustbereich.

Kurz: Wennst das für eine gute Idee hältst, soll`s mir recht sein. Du weißt jo eh, dass Du immer allles kriegst was Du willst. Wo wird denn Dein Piercing hinkommen? Zeigst Du mir es dann eh, gell?!?

Blümel: Na ich glaub eher nicht, weil es wird auf einer doch eher etwas pikanten Stelle angebracht und soll eine liebe Überraschung für meine Göttergattin sein.

Kurz: Ich glaub, dass ist jetzt sogar mir ein bisserl zu brenzlig. Sag liebster Gernot, wann treffen wir uns eigentlich mit dem besten Unternehmer des Landes?

Blümel: Der René wird hier in exakt zwei Minuten eintreffen und wir werden mit ihm über Steuererleichterungen für seine Verschönerung der Wiener Mahü reden. Außerdem habe ich mir gedacht, dass wir in seinen Zeitungen eine Inseraten-Offensive starten könnten und ihm damit auch ein bisserl unter die Arme greifen.

Kurz: Das ist eine ausgezeichnete Idee liebster Gernot. Ich bin sehr stolz auf Dich!

Während ich eifrigst meine Notizen mache, betritt Lieblings-Feind René Benko die Räumlichkeiten und begrüßt unseren Kanzler überschwenglich.

Benko: Basti-Baby! Ich habe Dich schon so lange nicht mehr gesehen! Geht`s Dir eh gut? Immer noch mit der Susanne zusammen?

Kurz: Servus lieber René! Alles bestens bei mir und die Susanne ist mit ihrem Leben glaube ich auch ganz gut zufrieden. Jo.

Benko: Na Basti-Baby! Du bist sicher auch froh, wenn der völlig überzogene Ibiza Untersuchungsausschuss endlich abgeschlossen und vorbei ist. Ist ja ungeheuerlich was die dort alles zusammenreimen, nur weil ich den Bumsti auf meine kleine, feine Yacht eingeladen habe.

Kurz: Ah Du hast den Strache wirklich zu Dir eingeladen? Das war kein Zufall? Vor dem Ausschuss hast Du aber gesagt...

Benko: Na geh bitte, Basti-Baby! Was soll ich Dir sagen. Der ganze Stress bei dieser frechen Befragung. Es war mir halt damals nicht so ganz erinnerlich. Das kann ja mal passieren.

Kurz: Na wem sagst Du das. Ich habe das übrigens sehr cool von Dir empfunden, wie Du Dich diesen Gfrastern als Philanthrop präsentiert hast. Das muss Dir erst einmal einfallen, dass man bei einer derartigen Befragung auf die Unterstützung der Kinderkrebs-Hilfe und diverser Kulturprojekte durch sein Unternehmen hinweist. Respekt lieber René. Respekt! Nur das Du zwecks Übernahme des Lainer-Kaufhauses in der Mahü, mutmaßlich mit mir telefoniert hast, hättest Du jetzt nicht unbedingt erwähnen müssen.

Benko: Mutmaßlich Basti-Baby. Mutmaßlich! Und außerdem habe ich ja zum Glück keine Erinnerung daran gehabt, dass ich wegen diesem Projekt mit dem Thomas Schmid gesprochen habe.

Kurz: Eh ein Wahnsinn was man so alles konstruieren kann, wenn man unbedingt will. Nur weil Du 2019 ein Teil meiner Wirtschaftsdelegation warst, welche mit mir Abu Dhabi besucht hast und auch der Thomas Schmid dabei war, muss man ja nicht solche abstruse Behauptungen wie z.B. Absprachen in den Raum stellen.

Benko: Na gut. Das ist halt wahrlich kein gutes Bild gewesen, dass der Thomas nur ein paar Tage nach der Reise ÖBAG-Alleinvorstand wurde. Es hat mir aber, rein zufällig natürlich, durchaus geholfen, dass meine Signa-Gruppe nur kurze Zeit später durch die Bundesimmobiliengesellschaft diesen wunderbaren Deal abschließen konnte.

Kurz: Ah Du meinst diesen 99-jährigen Mietvertrag mit der Immobilie der Postsparkasse im 1. Bezirk. Na das war ja wirklich sooo ein Zufall.

Benko: Sag amal Basti-Baby bist Du ganz deppat? Was macht dieser Überflieger-Schmieranski da? Herr Überflieger! Sie werden nicht noch einmal darüber schreiben, dass ich wegen Korruption verurteilt wurde! Haben Sie mich verstanden? Noch einmal und Sie hören von meinen Anwälten. Die Schuld ist längst getilgt und damit basta!

Überflieger: Wenn`s beliebt, dann könnte ich ja in jeder meiner nächsten zehn Ausgaben und täglich auf Social-Media schreiben, dass ich nie wieder verkünden werde, dass René Benko wegen Korruption verurteilt wurde. Wenn Sie wollen kann ich gleich jetzt damit beginnen!

Benko: Das ist eine hervorragende Idee! Ich verlange, dass Sie das ein Jahr lang durchziehen. So und jetzt widme ich wieder den wichtigen Dingen des Lebens. Wie schaut`s aus lieber Gernot? Hast mit dem Basti-Baby schon darüber gesprochen, dass ihr mich beim Bauprojekt in der Mahü unterstützt?

Kurz: Ja, hat er und ich glaube, dass beide Seiten davon profitieren würden, wenn wir in der Krone und im Kurier ein paar zusätzliche Inserate schalten. Was sagst zu Inseraten im Wert von zehn Millionen Euro?

Benko: Das ist jetzt aber nicht so gewaltig für ein Jahr. Da müsste schon ein bisserl mehr kommen, denn sonst kann ich damit nicht einmal meine Schwarzgeld-Portokasse füllen.

Kurz: Hast Du jetzt ernsthaft geglaubt, dass dieser Betrag für ein Jahr ist? Selbstverständlich würden wir Dir diesen Betrag monatlich zukommen lassen. Ich habe mir überlegt, dass es durchaus eine gute Idee wäre, wenn Du am Sonntag, in der wunderbaren Krone-Bunt Beilage, ein ausführliches Interview mit mir veröffentlichen würdest. Der Kanzler privat, wäre z.B. ein wunderbares Thema. Mein liebes Stimmvieh soll nämlich sehen, wie menschlich ich bin.

Benko: Dürften meine Leute dazu auch die Susanne interviewen?

Kurz: Welche Susanne? Ach so diese Susanne! Na geh bitte. Die hat doch nicht wirklich etwas mit meinem Privatleben zu tun. Die Susanne ist doch höchstens eine Randerscheinung in meinem Leben und sonst nix, aber das muss ich Dir doch nicht erklären. Das weißt Du doch eh.

Benko: Ja schon, aber das soll doch die Bevölkerung nicht wirklich mitbekommen. Wir könnten die Susanne bei der Kanzler-Story ja wunderbar dazu verwenden, dass diese einfach bezaubernd aussieht und Dich vielleicht sogar verliebt anschaut.

Kurz: Die Idee ist zwar echt super, aber da macht die Susanne leider gar nimma mit. Die hat jetzt immer so einen eisigen Blick drauf, wenn die mit mir, zu Repräsentationszwecken, irgendwo hingehen soll. Das könnte ernsthaft ein klassisches Eigentor sein. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie bestimmend die plötzlich geworden ist. Ich überlege bereits ernsthaft, ob ich der Bevölkerung nicht doch lieber die Wahrheit über mein Liebesleben verkünden soll, denn dieses ewige Versteckspiel mit der Susanne macht mich am Ende schon ganz fertig.

Benko: Bitte Gernot! Kümmere Dich um unser Basti-Baby! Der ist ja inzwischen voll in der Krise. Sorge dafür, dass er endlich wieder einmal ein Date hat. Ich meine ein richtiges Date. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit kannst Du bestimmt dafür sorgen, dass die Susanne einmal ein paar Tage nicht zu Hause ist und dann kann unser Basti-Baby, endlich einmal seine Neigungen voll ausleben. Schenkt`s der Susanne doch einfach einen Luxus-Urlaub! Ich bin mir sicher Basti-Baby, dass es Dir danach wieder besser geht.

Kurz: Na hoffentlich. Was sagst eigentlich zu meiner Idee mit den Inseraten und der Privat-Story?

Benko: Na eh super! So, aber jetzt muss ich wieder gehen und einen Blick auf die Baustelle in der Mahü werfen. Also tschüss und halte die Ohren steif Basti-Baby!

Kurz: Danke für Deinen Besuch lieber René. Du bist ein echter Freund!

Benko: Das ist mir nicht erinnerlich.

Nach dieser Wortspende des selbst ernannten Philanthropen, beginnen der Kanzler, der Finanz- und der Innenminister, herzlich zu lachen. Ich habe genug gehört und gesehen und schleiche mich heimlich davon, um das Erlebte, mit einem Fiaker-Gulasch zu verdrängen.


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