Dienstag, 24. November 2020

Tage der Entscheidung in Argentinien

Die wichtigsten Themen für die Argentinier*innen sind die Verhandlungen mit dem IWF zur Lösung und Umstrukturierung der Staatsschulden, die Legalisierung für den Anbau und Verkauf von Cannabis für medizinische Zwecke und ein Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Abtreibung.

Der IWF zeigt sich bezüglich der argentinischen Staatsschulden optimistisch

Der Leiter der Abteilung für die Westliche Hemisphäre Alejandro Werner, ist frohen Mutes, was eine Umstrukturierung der argentinischen Staatsschulden betrifft: „Die argentinische Regierung ist dabei, einen umfassenden Plan auszuarbeiten, der durch ein internationales Finanzierungsprogramm unterstützt werden könnte. Das ist der Punkt, an dem wir im Moment stehen.“ Er betonte die gute Zusammenarbeit mit dem argentinischen Staatspräsidenten Alberto Fernández und seiner Regierung. Alejandro Werner strich auch die schwierige Situation Argentiniens, im Zuge der Corona-Pandemie heraus und betonte die Wichtigkeit von politischen Maßnahmen, welche unternommen werden müssen, um die sozialen Folgen zu lindern.

Im Gegensatz dazu meldeten sich die Interessensgruppen von Privatgläubigern, eher negativ zu Wort. Im August hätte man eine historische Chance für einen Neuanfang ermöglicht. Aufgrund dessen, dass die Regierung keine Anstrengungen unternommen habe, um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen, hätte sich die Wirtschaftskrise sogar verschlimmert. Besonders verärgert sind die Investoren über den Wertverlust der Staatsanleihen, welche sie im Laufe der Schuldenumstrukturierung erworben haben. Die Investoren erwähnten die Corona-Pandemie mit keiner Silbe und billigten dieser somit auch keinen Milderungsgrund die wirtschaftliche Schwäche Argentiniens zu.

Zur Erinnerung: Jene Schulden, welche Argentinien bei den Privatgläubigern hat, haben einen Wert von ca. 100 Milliarden US-Dollar. Bei den Verhandlungen mit dem IWF geht es um die Umstrukturierung weiterer 44 Milliarden US-Dollar.

In der Zwischenzeit hat eine Delegation des IWF, Argentinien besucht. Mit dabei waren die Vize-Direktorin der Abteilung für die Westliche Hemisphäre, Julie Kozack, und der argentinische Missionsleiter Luis Cubbedu. Eine Woche lang hat man Gespräche sowohl mit Politiker*innen, Vertreter*innen der Privatwirtschaft, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft geführt. Es handelte sich demnach um Sondierungsgespräche zur Umstrukturierung der argentinischen Staatsschulden beim IWF. Am Ende wurden freundliche Worte gewechselt und man lobte die argentinische Regierung für ihre Anstrengungen zur Budgetkonsolidierung. Mit den Maßnahmen der Regierung würde das Wachstum begünstigt und „die verwundbarsten Teile der Bevölkerung“ würden beschützt.

Selbst die argentinische Regierung bewertete den Besuch der IWF-Delegation als positiv. Der Gewerkschaftsdachverband CGT verwies auf die Selbstkritik, welche die IWF-Delegierten, bezüglich der Ära von Staatspräsident Mauricio Macri und dem damals gewährten Megakredit, kundtat.

Die Präsidentin des IWF, Kristalina Georgiewa, sprach in einem CNN-Interview: „Wir wollen Teil einer nachhaltigen Lösung sein. Wir kommen mit einer offenen Einstellung, damit Argentinien wieder stabil wird und prosperiert."

Unter der Amtszeit von Mauricio Macri, hatte Argentinien beim IWF einen Kredit in der Höhe von 57 Milliarden US-Dollar aufgenommen. Sein Nachfolger als argentinischer Präsident, Alberto Fernández, verzichtete auf die letzte Ratenzahlung in der Höhe von 13 Milliarden US-Dollar. Im Juli dieses Jahres stand Argentinien kurz vor dem Staatsbankrott. Dieser konnte, im letzten Moment, durch eine Einigung mit den Privatgläubigern verhindert werden. Seit damals laufen die Bemühungen, die argentinischen Staatsschulden beim IWF umzustrukturieren.

Aktuell trifft sich der argentinische Wirtschaftsminister Martin Guzmán mit einer Delegation des IWF. Zu dieser zählen die Vize-Direktorin der Abteilung für die westliche Hemisphäre, Julie Kozack, der Leiter der Mission für Argentinien, Luis Cubeddu, und der ständige Vertreter im Land, Trevor Alleyne.

Alberto Fernández und seine Regierung, streben für die nächsten viereinhalb Jahre, eine Aussetzung der Zahlungen, sowie eine Frist von zehn Jahren zur Rückzahlung an. Innerhalb der letzten fünf Jahre haben zwölf Länder ein ziemlich identisches Abkommen mit dem IWF geschlossen.

Argentinien steht wirtschaftlich vor einer Wende zum Guten. Nachdem es in den letzten drei Jahren eine Rezession gegeben hat, deuten nun erste Anzeichen auf eine Erholung hin. Mehrere Unternehmen haben Investitionen angekündigt und der IWF erwartet für 2021 sogar ein Wirtschaftswachstum von bis zu 4,9 %. Trotz der Covid-19 Pandemie entwickelt sich auch das Haushaltsdefizit besser als erwartet und die Inflation liegt elf Punkte unter dem Vorjahreswert.

Die Abgeordnetenkammer hat bereits das Haushaltsbudget für 2021 verabschiedet und muss nur noch vom Senat bestätigt werden. Dies dürfte kein Problem darstellen, weil die Regierungskoalition im Senat die Mehrheit hat. Derzeit wird im Parlament auch die Frage zur Einführung einer Sondersteuer auf große Vermögen behandelt.

Ob in Österreich so eine Debatte überhaupt möglich wäre?

Die Legalisierung zum Anbau und der Abgabe von Cannabis

Die argentinische Regierung hat den Anbau von Cannabis und dessen medizinischer Verwendung legalisiert. Cannabis-Öle dürfen somit in den Apotheken verkauft werden. Wenn jemand für den medizinischen oder therapeutischen Eigengebrauch Cannabis anpflanzen will, muss er sich in ein staatliches Register eintragen und bekommt eine Genehmigung.

Wissenschaftliche Forschungsprojekte, um herauszufinden, welche therapeutische Einsatzmöglichkeiten es für Cannabis gibt, sollen nicht nur ermöglicht, sondern auch gefördert werden. Der Staat will selbst eine öffentliche und kontrollierte Produktion aufbauen, damit die Versorgung und vor allem die Qualität gesichert wird. Das Projekt soll unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums stehen. 

In Lateinamerika haben in den vergangenen Jahren auch schon andere Länder ihren restriktiven Umgang mit Cannabis gelockert. Uruguay hatte bereits im Jahre 2013 den Anbau und den Konsum, bei einer gleichzeitigen Regulierung, legalisiert. Es folgten Ecuador, Mexiko, Peru und Puerto Rico. Diese Länder haben seither die therapeutische Verwendung von Cannabis gestattet. In Chile, Kolumbien und Paraguay ist man einen Schritt weiter gegangen und hat zudem auch den Anbau für den Eigengebrauch erlaubt bzw. entkriminalisiert.

In der Anlage IV des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel der UN, wird Cannabis immer noch unter den gefährlichsten Drogen, in derselben Kategorie wie z.B. Heroin geführt. Ende 2018 kam eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO zum Schluss, dass diese Einstufung nicht gerechtfertigt ist und empfahl die Entfernung von Cannabis aus dieser Liste und Anerkennung des medizinischen Nutzens der Pflanze. Das Ergebnis der Forschung ist erst zwei Jahre her... das kann also noch dauern...

Die Legalisierung der Abtreibung rückt näher

Vor wenigen Tagen hat Präsident Alberto Fernández einen entsprechenden Gesetzesentwurf an den Kongress übergeben. Es handelt sich dabei um ein wichtiges Wahlkampfthema vom Fernández, welche nun realisiert werden könnte. Aufgrund der Covid-19 Pandemie musste die Diskussion zu diesem Thema, vom Anfang des Jahres bis nun hinein in den Spätherbst, verschoben werden.

Die argentinischen Frauen begrüßen das in Aussicht stehende Gesetz. Es beinhaltet freie, legale und kostenlose Abtreibungen. Bereits 2018 wurde im Kongress darüber diskutiert. Die Abgeordnetenkammer stimmte, knapp aber doch, zu – aber der Senat lehnte ab. In Argentinien müssen sowohl die Abgeordnetenkammer, als auch der Senat, welche gemeinsam den Kongress bilden, einem Gesetz zustimmen, bevor es dem Präsidenten, zur Unterzeichnung vorgelegt wird.

Der Gesetzesentwurf zum „Freiwilligen Abbruch einer Schwangerschaft“ ist beinahe ident, mit jenem von 2018.

Zusammenfassung:

Frauen haben das Recht, sich bis zur 14. Schwangerschaftswoche für einen Abbruch zu entscheiden. Entscheiden sich später, dann ist es nur noch möglich, wenn die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren in Gefahr ist, oder die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung ist. Das Recht soll binnen zehn Tagen dem Antrag auf einen Abbruch, gewährleistet werden.

Eine Schlüsselrolle wird Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner einnehmen. Sie steht als Vize-Präsidentin dem Senat vor. In ihrer Amtszeit hat sie sich gegen eine Lockerung entschieden, hat aber vor zwei Jahren ihre diesbezügliche Haltung geändert. Wenn sie sich für den Gesetzesentwurf im Senat einsetzt, dann wird das für zahlreiche, ihr nahestehende Senatoren, ein Grund sein, dem Entwurf zuzustimmen.

Präsident Fernández in einer Video-Botschaft auf twitter: "Meine Überzeugung, die ich immer öffentlich zum Ausdruck gebracht habe, ist, dass der Staat alle schwangeren Frauen bei ihren Projekten zur Mutterschaft begleiten sollte. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es Aufgabe des Staates ist, sich um das Leben und die Gesundheit derer zu kümmern, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden"



1 Kommentar:

  1. Servus du Talentierter,
    🦅Überflieger🦅
    Ich danke Dir für diesen spannend, informativen Bericht über die Politische Lage in Argentinien.
    Ein Land das bis heute Höhen und Tiefen in ihrer Geschichtlichen Biografie erleben musste.
    Ich würde mich sehr darüber freuen weitere Informative Berichte über Argentinien zu lesen, in einer deiner Nächsten Überflieger Zeitungen. Danke 🦋

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