Montag, 9. November 2020

Terror in Wien

Unfassbare Szenen spielten sich am 2. November 2020, zwischen 20:00 und 20:09h im Wiener Bermuda-Dreieck ab. Ein IS-Sympathisant zog seine Runden im Herzen Wiens, in meiner Heimatstadt, genau dort wo sich die Party-Szene und das Ausgehviertel der Stadt befindet, um vor der Synagoge bei der Seitenstettengasse, am Morzinplatz, beim Salzgries, am Fleisch- und Bauernmarkt, sowie am Graben, mit seinem Sturmgewehr vom Typ AK-47 und einer Faustfeuerwaffe, auf alle Menschen zu schießen, welche ihm zu Gesicht kamen. Am Ende mussten wir vier Todesopfer betrauern und es gibt zudem 22 Verletzte, von denen sich drei immer noch auf der Intensivstation eines Krankenhauses befinden.

Zum Glück ist es, durch das rasche Eingreifen der Polizei gelungen, den Täter um 20:09h zu eliminieren – neutralisieren heißt das in der Polizeisprache. Die beiden WEGA-Beamte, welche dafür verantwortlich waren, haben dadurch noch Schlimmeres verhindert. Der Attentäter hatte nämlich noch sehr viel Munition zur Verfügung, um weitere Gräueltaten zu verüben.

Es war übrigens jener Abend, an welchem der „Lockdown Light“ in Kraft trat. Exakt um 20.00h mussten deshalb sämtliche Gastronomiebetriebe der Stadt schließen. Ab sofort darf man nur noch zu den Lokalen gehen, um sich Essen und Trinken abzuholen oder, wenn möglich, nach Hause liefern zu lassen. Nachdem es ein schöner, warmer Herbst Nachmittag/Abend war, nutzten viele Wiener*innen und Touristen die Gelegenheit, um sich in einen Schanigarten zu setzen und sich noch einmal mit seinen Freunden bei einem Glas Bier oder einem Kaffee zu treffen.

Die ersten Meldungen über eine Schießerei in der Wiener Innenstadt, fluteten um 20:35h die Medienlandschaft.

In Wahrheit wusste zu diesem Zeitpunkt kaum jemand was wirklich geschah und so gab es viele Gerüchte und Spekulationen. Als die ersten offiziellen Berichte zu den tragischen Ereignissen im Wiener Bermuda-Dreieck publik wurden, sprach man noch von einem Todesopfer und hatte keine Ahnung, wie viele Terroristen am Werk waren. Die Gerüchteküche brodelte wie wild und es gab kurzfristig die Meldung, dass es in einem Lokal auf der Mariahilfer Straße, zu einer Geiselnahme gekommen ist. Dieses stellte sich kurze Zeit später, zum Glück, als unwahr heraus.

Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl hat die Aktion, zur Jagd auf den bzw. die Täter, ausgezeichnet geleitet. Insgesamt versahen 1.000 Polizisten ihren Dienst und dank des gut abgestimmten Systems mit den Sektorstreifen der WEGA, konnte diese schnell am Tatort eintreffen und den Täter rasch unschädlich machen.

Viele Polizisten, welche eigentlich frei hatten, meldeten sich freiwillig, um ihre Mithilfe anzubieten und sofort in den Dienst einzutreten. Das Bundesheer übernahm in Windeseile den Gebäudeschutz und konnte somit zusätzliche Polizisten „frei spielen“. Als das Ausland vom Terrorakt erfuhr, kamen binnen kürzester Zeit Unterstützungsangebote. Zu den ersten Ländern, welche ihre Hilfe anboten, gehörten: Deutschland, Israel, Ungarn, Slowenien und die USA.

Ich habe fast die ganze Nacht auf Twitter mitgefiebert und mitgelitten, in der Hoffnung, dass die Polizei Entwarnung gibt und verkündet, dass man nun alle Täter geschnappt oder neutralisiert hat. In Wahrheit war ich mir allerdings ziemlich sicher, dass es sich um einen Einzeltäter handeln könnte. Einzeltäter allerdings nur in jenem Sinne, dass er als Einziger mit Waffen unterwegs war.

Logischerweise stand hinter ihm gewiss ein großes Netzwerk, was sich später auch bewahrheitete. Warum ich mir so sicher war? Das Bermuda-Dreieck war früher meine zweite Heimat. Ich war hier, vor allem als Jugendlicher und auch ein paar Jahr länger, nicht nur am Wochenende auf Lokaltour... Es war mir deshalb auch schnell klar, dass es keine Hexerei ist, die sechs Tatorte innerhalb weniger Minuten zu erreichen.

Mir war auch schnell bewusst, dass ich meine Kinder am nächsten Tag, bevor keine Entwarnung durch die Polizei kam, gewiss nicht in die Schule gehen lasse. Mir kamen dabei die Bilder aus Beslan (Russland), im Jahre 2004 in den Sinn. Damals nahmen Terroristen eine ganze Schule in Geiselhaft. Die Befreiungsaktion der russischen Armee ging völlig schief und von den ca. 1.100 Geiseln, kamen 334 ums Leben...

Im Verlaufe der Wiener Terror-Nacht, verkündete Innenminister Karl Nehammer, dass in Wien, die Schulpflicht für den nächsten Tag aufgehoben wird.

Großartig war in dieser Nacht die unendliche Anteilnahme an den Geschehnissen in der Wiener Innenstadt. Auf Twitter schrieben viele Personen, dass sich Menschen, welche nicht heimfahren können, bei ihnen mit offenen Armen empfangen werden. Auf Anfrage veröffentlichten sie ihre Adresse oder gaben ihre Telefonnummer preis. Andere wiederum boten an, Menschen unterwegs abzuholen und heimzubringen. Dazu zählten auch unzählige Taxifahrer, welche die Menschen gratis heimbrachten. Die Hilfsbereitschaft war gewaltig und dafür bedanke ich mich bei vielen Mitmenschen unserer Stadt.

Der große Skandal war aber, dass es in Österreich einen Fernsehsender gibt, welcher für eine Ungeheuerlichkeit sorgte.

Mir geht es dabei vor allem um eine Szene. Die Hinrichtung eines Mitmenschen – und das war nichts anderes – in Dauerschleife zu zeigen, nur um damit Quote zu machen.

Gratulation Herr Fellner! Was hat Sie mehr befriedigt? Die hohe Quote oder das Video?

Ich habe mich mit vielen anderen Personen dafür „stark gemacht“, dass man die Presseförderung für sein Medium streichen soll. Außerdem gehörte ich zu jenen, welche eine Meldung an den Presserat getätigt haben. Dafür genügte es, dem Presserat einen Tweet zu schicken – normalerweise muss man dafür eine E-Mail verfassen. Mein aktueller Wissensstand ist, dass mehr als 700 Personen diesem Beispiel gefolgt sind. Noch in derselben Nacht haben die ersten Firmen damit begonnen, ihre Werbung bei diesem Medienunternehmen zu canceln und ich bin mir sicher, dass dies Herrn Fellner weit mehr schmerzt, als eine Zurechtweisung vom Presserat.

Ich finde es abscheulich, dass sich Oe24 einen Dreck um den Persönlichkeitsschutz der Opfer schert - wenn es der Quote dient, ist wohl jedes Mittel in Ordnung. Was die Familie, die Verwandtschaft, die Freunde und Bekannten empfinden, wenn sie dieses Video zu sehen bekommen, darüber wollte Herr Fellner wohl nicht einmal nachdenken...

Ich freue mich hingegen über jene drei jungen Männer, welche zum Zeitpunkt des Terrorakts zu Helden wurden. Recep Tayyip Gültekin und Mikail Özen zogen eine beim Schusswechsel verletzte Frau in ein nahe gelegenes Restaurant und brachten zudem einen schwer verletzten Polizisten zum Krankenwagen. Özen betonte: „Wir türkisch-stämmige Muslime verabscheuen jeglichen Terror. Wir lieben Österreich, wir stehen zu Österreich. Österreich ist unsere Heimat. Wir würden jederzeit helfen. Ich würde heute das gleiche wieder tun. Ein richtiger Moslem verabscheut jede Art von Terror. Unsere Kultur sagt uns, egal in welchem Land wir leben, wenn wir dort leben, dann gehören wir dazu, dann sollen wir dem Staat zur Hilfe stehen und die Gesetze beachten. Das haben wir so gelernt." DANKE

Die beiden türkisch-stämmigen Österreicher sind, unbestätigten Berichten zufolge, angeblich Erdogan-Fans und im Internet mit dem Wolfsgruß abgebildet. Die Aufnahmen habe ich gesehen, aber ob diese auch wirklich identisch sind, kann ich nicht beurteilen. Die Frage ist halt was wir jetzt machen? Fakt ist, dass sich die Beiden in dieser Situation vorbildlich verhalten haben und während des Schusswechsels, Menschen gerettet haben. Würden wir ihnen jetzt Lob und Anerkennung vorenthalten, dann könnte ich mir vorstellen, dass sie niemals wieder ihr Leben aufs Spiel setzen, um Menschen in höchster Gefahr zu retten.

Noch bevor die beiden türkisch-stämmigen Migranten den Polizisten zum Krankenwagen bringen konnten, hat der Palästinenser Osama Joda Abu El Hosna, den Beamten hinter einer Betonbank in Sicherheit gebracht und mit der Ersten Hilfe begonnen. Letztes Jahr wollte er in Weikendorf ein Haus kaufen. Der Bürgermeister lehnte allerdings ab, weil er ein Muslime ist und muslimische Werte mit westlichen Werten nicht kompatibel sind... Die Behörde und die Gerichte gaben der Familie des jungen Palästinensers allerdings recht. Osama Joda Abu El Hosna arbeitet übrigens in der Mc Donalds Filiale am Schwedenplatz, hat die Ereignisse hautnah miterlebt und war hauptverantwortlich dafür, dass der junge Polizist überleben konnte. DANKE!

Zurück zur kurzen und gleichzeitig auch sehr langen Nacht. Irgendwann kam dann die Gewissheit, dass es sich „nur“ um einen Täter gehandelt hat. Danach ging alles sehr schnell. Die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Wien war hervorragend. In Windeseile wurden Hausdurchsuchungen genehmigt, bei denen es zu 15 Festnahmen kam. Die Verhafteten wurden der Justiz überstellt.

Darüber hinaus gibt es Verbindungen und Netzwerke nach Deutschland und in die Schweiz. In der Schweiz kam es ebenso zu zwei Festnahmen und in Deutschland fanden in vier Bundesländern Hausdurchsuchungen statt. Nach meinen letzten Erkenntnissen wurden dort vier Personen verhaftet. Alle Verbindungen führen zum IS. Der islamische Staat hat in einem Video auch die Verantwortung für die Tat übernommen – aber das braucht niemanden zu verwundern, weil das macht er eigentlich immer wenn Opfer zu beklagen sind.

Lasst uns kurz über das Oaschloch sprechen.

Ich habe mir irgendwann in den frühen Morgenstunden des 3. November einige Videos über den Terrorakt in der Innenstadt angesehen. Dabei bekam ich dann folgende Szene zu hören. Ein Mann schrie aus einem Fenster, Richtung Attentäter: „Du Arschloch! Motherfucker!“ Als ich diese Szene gesehen habe, musste ich leise lächeln und ich dachte mir: „Ja, Du hast recht! Er ist nix als ein Oaschloch!“ und irgendwann postete ich auf Twitter folgende Zeilen:

Nachdem ein Wiener dem Attentäter vom Fenster aus zugerufen hat:

"Schleich Di Du Oaschloch!"

sollten wir bei "Oaschloch" als Name des Täters bleiben.

Keine Aufwertung des Täters durch seine namentliche Erwähnung - außer "Oaschloch"

Nach ein paar Minute hatte ich ein paar likes und danach ging der Tweet viral.

Mehr als 200.000 Views gab es dazu, über 3.000 likes und 464 Retweets. Erst nachdem der Tweet geteilt wurde, verbreitete jemand in meinen Kommentaren die Idee, dass man ab sofort einen Hashtag namens oaschloch setzen sollte.

Mit dem Oaschloch-Tweet, ist der Attentäter jedenfalls nicht als Held oder Märtyrer, sondern ganz einfach nur als Oaschloch gestorben.

Was mir noch ganz wichtig ist!

Vermeidet es, euch Videomaterial zum Terror Anschlag in Wien anzusehen! Es schadet, auch wenn ihr es vielleicht nicht glaubt und selbst eingestehen wollt, eurer Psyche.

Fragen, welche in den nächsten Tagen und Wochen beantwortet werden müssen

Wie kann es sein, dass ein in Österreich geborener Mensch, mit einer Doppelstaats-bürgerschaft Österreich/Nordmazedonien ausgestattet und albanischer Abstammung, sich derartig radikalisiert? Seine Eltern sind es nicht und die Familie gehört auch nicht zur ärmlichen Bevölkerungsschicht, was oftmals als Grund für eine Radikalisierung herhalten muss. Hat er sich zeit seines Lebens als Außenseiter gefühlt oder anders gefragt, hat man ihn von Beginn an als jemanden behandelt, der „nicht zu uns gehört oder ist es so gewesen, dass er zu Hause (seit der Pubertät) mit Gewalt konfrontiert war? Die Ermittlungen werden das hoffentlich herausfinden.

Am 15. September 2018 wurde der Täter in der Türkei verhaftet, weil er nach Syrien reisen wollte, um sich dort dem IS anzuschließen. Nachdem er dort bereits einige Monate in Haft gesessen ist, wurde er später nach Österreich ausgeliefert und im Dezember 2019, nach der Verbüßung von 2/3 seiner Strafe (22 Monate wären es insgesamt gewesen), aus der Haft entlassen.

Er fasste drei Jahre auf Probe aus und wurde regelmäßig von der Bewährungshilfe kontrolliert. Das ist kein unüblicher Vorgang und das ihm eine Gemeindewohnung zur Verfügung gestellt wurde ebenso nicht. Wie sonst soll die Resozialisierung eines Menschen funktionieren, wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird? Mehr als ein Taschengeld kann er dort nicht verdienen und wenn er direkt nach der Haft obdachlos ist, dann sind seine Chancen wohl sehr gering, um in unserer Gesellschaft wieder Fuß fassen zu können, ohne dabei wieder kriminell zu werden.

Es stellt sich natürlich die Frage wie es sein kann, dass er so viele Menschen täuschen konnte. Ist man möglicherweise zu naiv gewesen? Nur weil jemand sagt, dass er den Terroranschlag X für furchtbar, schlimm und grauslich hält, heißt das noch lange nicht, dass er es auch wirklich so empfindet. Außerdem finde ich es auch sehr seltsam, dass man einen Menschen für „geläutert“ hält, nur weil er bei den Treffen mit seinen Sozialarbeiter*innen niemals aufbrausend war. Selbstverständlich wird er in der Lage sein, für diese Augen-blicke, seine Emotionen zu unterdrücken und ein bisserl eine schauspielerische Leistung an den Tag zu legen.

Die größte Sauerei ist, dass die slowakischen Behörden, das BVT darüber informiert hat, dass er im Juli 2020, gemeinsam mit einem zweiten Mann versucht hat, Munition für ein Sturmgewehr AK 47 zu .kaufen. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen.

Was soll das?

Wie kann es sein, dass dann nix weiter geschieht?

Warum wurde nicht wenigstens die Bewährungshilfe darüber informiert?

Die Mitarbeiter*innen hätten per sofort anders mit ihm umgehen können.

Sämtliche Alarmglocken hätten beim BVT schrillen müssen und das Oaschloch hätte man mit sofortiger Wirkung aus dem Verkehr ziehen müssen! Zwischen der Slowakei und Österreich hat es danach einen regen Austausch gegeben, denn die slowakischen Behörden wollten wissen, um welche Leute es sich dabei handelt... Die österreichischen Behörden gaben ausführlichst Auskunft und beobachteten weiterhin die Aktivitäten vom Oaschloch.

Fakt ist übrigens, dass für den nächsten Tag unter dem Decknamen „RAMSES“ zahlreiche Hausdurchsuchungen in der Islamisten-Szene stattfinden hätten sollen.

Es stellt sich die Frage, ob es einen „Maulwurf“ gibt, welcher die bevorstehende Aktion verraten hat. Niemanden bräuchte sich deshalb zu wundern, warum man noch schnell den Terror-Anschlag ausführen wollte.

Es wird jedenfalls politische Konsequenzen geben müssen.

Wir haben in Österreich lange Glück gehabt, dass wir vor Terror-Anschlägen verschont geblieben sind.

Einige von euch werden sich noch an den OPEC-Überfall/Geiselnahme (1975), das Synagogen Attentat (1981), die Ermordung von Stadtrat Heinz Nittel (1981) und das Flughafen-Attentat (1985) erinnern. Bei mir sind noch viele Bilder – mit Ausnahme der OPEC-Geiselnahme – in Erinnerung. Zum OPEC-Überfall fallen mir lediglich die Bilder auf der Treppe des Flugzeugs ein, als der Terrorist Carlos (genannt der Schakal), unserem Innenminister Rösch die Hand schüttelte. Carlos wollte ihn wissen lassen, dass er Bundeskanzler Kreisky die besten Grüße ausrichten lassen solle, weil er klug gehandelt habe...

Wie gehen wir nun mit unseren Gefühlen nach dem Terror-Anschlag, im Herzen von Wien um?

Jeder von uns verarbeitet Trauer auf eine andere Art und Weise. Ich glaube, dass es schlecht ist Trauer zu verdrängen. Darüber zu sprechen und sich dessen auch bewusst zu sein, dass man trauert, halte ich für einen guten Weg. Wer vielleicht, ebenso wie ich, nach der Tat in der Innenstadt war, wird dort ein Gefühl der Verbundenheit, mit vielen Mitmenschen unserer Stadt gespürt haben. Dutzende Menschen stehen bei den tödlichen Schauplätzen der schrecklichen Terror-Attacke und gedenken der Toten. Hunderte Kerzen sind jeweils aufgestellt und diese gemeinsame Anteilnahme an den furchtbaren Geschehnissen verbindet uns.

2020 ist für mich persönlich, aber gewiss auch für viele andere Menschen, das schlimmste Jahr, welches sie erleben. Möge die Zukunft, welche genau jetzt beginnt, uns schönere Seiten des Lebens bescheren!

Ist halt nur schade, dass 2020 nicht wie Microsoft-Windows funktioniert:

herunterfahren, aussteigen und neu starten...






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