Dienstag, 2. August 2022

Kann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine tatsächlich verlieren?

Für den ukrainischen Präsidenten und alle seine Unterstützer ist es völlig klar, dass die Ukraine so lange gegen Russland kämpfen muss, bis der Aggressor besiegt ist. Selbstverständlich müssen dann auch wieder alle Grenzen wiederhergestellt werden, welche vor dem Einmarsch der russischen Armee existierten. Außerdem würde die Ukraine weder die Annexion der Krim noch irgendeine abtrünnige Republik im Donbass anerkennen und natürlich muss alles unternommen werden, damit die Ukraine, binnen kürzester Zeit, der EU und der NATO beitritt. Für den Fall, dass ein derartiges Szenario tatsächlich eintritt, wäre Russland, aufgrund der Wirtschaftssanktionen, für viele Jahre geschwächt.

Es gibt nur zwei Varianten, welche zu dem oben genannten, allerdings sehr unwahrscheinlichen, Szenario führen könnten. Die erste Möglichkeit wäre, dass man Russland militärisch besiegt. Das könnte durch enorme Waffenlieferungen, Zermürbung der russischen Soldaten oder das ausmanövrieren des Gegners gelingen. Die alternative Möglichkeit wäre der Weg über Moskau. Für den Fall, dass die Ukraine tatsächlich nennenswerte Erfolge gegen die russische Armee erzielt, könnte dieses, in Verbindung mit den Wirtschaftssanktionen des Westens, Wladimir Putin dazu bringen den von ihm eröffneten Krieg zu beenden. Möglicherweise wäre aber auch jemand aus seinem engeren Umfeld mit dieser Entwicklung sehr unglücklich und es wäre durchaus ein Szenario vorstellbar, dass Putin aus dem Amt gedrängt wird.

Kommen wir nun zur Wahrscheinlichkeit, dass diese Szenarien eintreten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die russische Armee ihre Geländegewinne wieder verliert. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Russland immerhin so unabhängig ist, dass es mithilfe der Wirtschaftssanktionen nicht gelingen wird, Präsident Putin zur Aufgabe zu bewegen.

Das mit Abstand wahrscheinlichste Szenario ist ein langer, blutiger Krieg. Immer mehr Menschen werden sterben, flüchten und der wirtschaftliche Schaden wird Dimensionen erreichen, welche die Gefahr weiterer Eskalationen ins Spiel bringt – bis hin zum Einsatz von Atomwaffen.

Niemand vermag mit Sicherheit zu sagen, wie groß die Verluste der russischen Armee bisher sind, aber Fakt ist, dass es Russland bisher problemlos schafft, diese Lücken zu füllen. Es ist weder für die Ukraine, noch für Russland einfach, die breiten Fronten geschlossen zu verteidigen. Dafür bräuchte es zahlreiche mechanisierte Kampftruppen. Warum es beide Seiten nicht versuchen? Weil die Ukraine wohl unter der Beobachtung des russischen Geheimdienstes steht und weil Russland dieses ebenso nicht bewerkstelligen kann, ohne das es die westlichen Geheimdienste bemerken.

Es ist logischerweise ein immenser Unterschied, ob sich die Ukraine mit den Waffenlieferungen des Westens sehr gut verteidigen kann, oder man mit diesen Angriffe startet, um Rückeroberungen durchzuführen. Dafür fehlt der Ukraine, schlicht und ergreifend, die personelle Stärke.

Eine weitere Theorie ist, dass durch enorme militärische Verluste in der russischen Armee die Familienangehörigen der Getöteten, ihre Angst vor Putin verlieren und sich gegen ihren Präsidenten auflehnen. Das könnte dazu führen, dass auch Politakteure aus dem nahen Umfeld Putins an seinem Thron rütteln und Putin absetzen oder gar hinrichten wollen. Wenn wir uns ehrlich sind, ist diese Variante auch nicht gerade von einer großen Erfolgsaussicht gekrönt, weil es kaum jemanden gibt, welcher sich besser mit Verschwörungen auskennt, als der ehemalige Geheimdienstler Wladimir Putin. Nachdem auch der wirtschaftliche Druck auf Russland nicht gerade überragend ist, droht ihm, zumindest derzeit, von der eigenen Bevölkerung keine Gefahr. Russland hat nun einmal den immensen Vorteil, dass es ein riesiges Land ist mit enormen Anbauflächen und Energiereserven.

Die russischen Verluste, egal wie groß sie auch sein mögen, werden Wladimir Putin nicht daran hindern, die Invasion in der Ukraine fortzuführen. Erinnern wir uns zurück an die schlimmen Erfahrungen Russlands in Afghanistan. Dort gab es auch schon längst nichts mehr zu holen und der Krieg wurde dennoch fortgesetzt.

So wie es derzeit aussieht, läuft alles auf eine Patt-Situation heraus. Die Russen haben ein Territorium erobert, welches wohl nur unmerklich größer werden könnte. Die Ukraine würde ein Großteil jenes Territoriums, welches sie vor der russischen Invasion hatte, behalten und bis zum Sankt Nimmerleinstag verteidigen. In dieser Situation wären also Verhandlungen durchaus erfolgversprechend. Wenn, ja wenn, da nicht der russische Verhandlungspartner am Tisch sitzen würde, welchem man derzeit kaum trauen kann, sich an seine eigenen Abmachungen zu halten. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, ist wohl derzeit die Devise im Kreml.

Wer weiß, vielleicht wird die Reise von Papst Franziskus tatsächlich zum Erfolg und Ende der Invasion führen.





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