Sonntag, 17. Oktober 2021

Turbulente Tage in Venezuela

Viel Kritik muss sich derzeit der Internationale Währungsfonds (IWF) gefallen lassen. Noch im September hatte der IWF in Aussicht gestellt, dass er die venezolanische Zentralbank mit 5,1 Milliarden US-Dollar ausstatten wird. Es hätte sich dabei um Geld aus der Ausgabe von Sonderziehungsrechten handeln sollen, welche der IWF seinen Mitgliederstaaten zur Bewältigung der Pandemie zur Verfügung gestellt hat. 

Die venezolanische Vize-Präsidentin Delcy Rodriguez , beklagte nunmehr im Rahmen des 15. Ministertreffens der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD 15), dass die USA, dank ihrer Sperrminorität im IWF, diese Zahlung an Venezuela blockiert hätte und stellte die Blockade in Zusammenhang mit den US-Sanktionen gegen Venezuela, weil man immer noch den selbst ernannten „Interimspräsidenten“ Juan Guaidó als legitimen Vertreter Venezuelas hält.

Ja es stimmt, dass die USA im Juni 2021, einige Sanktionen gegen Venezuela gelockert hat, leidet das Land immer noch unter den verheerenden Auswirkungen. Immer noch beeinträchtigt die US-Sanktionspolitik die venezolanische Versorgung mit Nahrungsmitteln, Treibstoffen und Elektrizität. Ganz abgesehen davon fügt es auch dem venezolanischen Gesundheitssystem enormen Schaden zu. Alleine im Erdölsektor wurden die Auswirkungen und Verluste von der venezolanischen Vize-Präsidentin Rodriguez mit 63 Milliarden US-Dollar beziffert. Keine Frage, dass alleine dadurch die Einnahmen Venezuelas um ein beträchtliches Maß reduziert wurden. Die Vize-Präsidentin Rodriguez bezeichnete außerdem die einseitigen US-Maßnahmen erneut als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Präsident Nicolás Maduro zum Völkermord in Lateinamerika

Der spanische König Felipe VI. hat vor wenigen Tagen einen nicht ganz so angenehmen zehnseitigen Brief vom venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro erhalten. Nicolás Maduro hat den Brief übrigens zur Gänze auf seinem Twitter-Account veröffentlicht. Es geht dabei um den spanischen Nationalfeiertag, welcher am 12. Oktober abgehalten wird. Ganz Spanien feiert an diesem Tag die Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika. Seit 1918 handelt es sich um den Nationalfeiertag und seit den 1920er Jahren wird er als „Tag der Hispanität“ oder aber auch als der „Kolumbus-Tag“ begangen.

Nicolás Maduro meint dazu, dass es inakzeptabel sei, dass sich eine Nation damit brüstet, zivilisiert zu sein, welche noch im 21. Jahrhundert das Schlimmste aus ihrer Vergangenheit ehrt – den Diebstahl, die Plünderung, den Rassismus und jene Hassverbrechen, welche während der mehr als 300-jährigen Besatzung durch das spanische Imperium in Lateinamerika begangen wurden. Die Eroberung Amerikas sei nichts anderes als Völkermord und Ethnozid und stelle die schrecklichste physische und symbolische Vernichtung ganzer Völker in der Geschichte der Menschheit dar. Die Konquistador hätten einen ganzen Kontinent entvölkert, welcher von 70 bis 90 Millionen Menschen mit ihren Kulturen, politischen Systemen, Sprachen, Wissenschaften, Religionen und Institutionen bewohnt wurde, welche der Eroberer nie in der Lage war zu respektieren. 

Noch immer werde in Spanien voller Arroganz vom hispanischen Zivilisation-Projekt gesprochen. Europa müsse allerdings anerkennen, dass seine Modernität und sein schwindelerregendes industrielles, kommerzielles und finanzielles Wachstum, das heißt, der Aufstieg des westlichen Kapitalismus, auf einem Verbrechen gegen die Menschheit an den Völkern Lateinamerikas und Afrikas und auf der materiellen Enteignung ihrer Reichtümer gründet, welches am 12. Oktober 1492 begann. Das sei wissenschaftlich und durch Zeugenaussagen nachweisbar.

Nicolás Maduro verlangt, dass im 21. Jahrhundert eine Wahrheitskommission zum Thema der europäischen Besetzung Amerikas eingerichtet werden solle. Nur die Wahrheit, als historische Akzeptanz, nur die wiedergewonnene Erinnerung, nur die Anerkennung dieses schwerwiegenden Verbrechens und auch die Anerkennung des Kampfes und der Würde der Großeltern der Großeltern unserer Großeltern könne eine reale Geschwisterlichkeit wiederherstellen. Eine von der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) geleitete Wahrheitskommission, bestehend unter anderen aus Schamanen, Anthropologen, Archäologen, Menschenrechtsaktivisten, Juristen, Intellektuellen und Vertretern verschiedener Religionen solle dazu beitragen, die Ereignisse angemessen zu behandeln, sie zu akzeptieren, sie wiedergutzumachen und in die gemeinsame Geschichte aufzunehmen, schreibt Nicolás Maduro.

Diesen Vorschlag wird die venezolanische Regierung dem derzeitigen CELAC-Vorsitzenden, Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador, vorlegen.

Wird die EU-Wahlbeobachtungsmission in Venezuela neutral sein?

Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik hat sich vor kurzem mit folgender Aussage, den Unmut der venezolanischen Regierung zugezogen und somit Bedenken verursacht, dass sich die EU-Wahlbeobachtungsmission, möglicherweise nicht neutral verhalten könne.

Hier ist die Aussage von Josep Borrell:

Die Mission der EU wird die Opposition begleiten, denn es ist eine größere Garantie für sie, wenn wir anwesend sein werden, um die Wahl zu überprüfen. Wenn sich die Opposition schon dazu entschlossen habe, an den Wahlen teilzunehmen, müsse die EU auch eine Wahlbeobachtungsmission entsenden und sollte nicht von Vornherein erklären, die Wahlen würden gefälscht. Dies wäre keine Ermutigung für die Opposition. Der Bericht der EU-Mission werde nach den Wahlen diese entweder legitimieren oder delegitimieren.“

Für die venezolanische Regierung sei aus der Erklärung Borrells die Parteilichkeit für die Opposition deutlich, welche sich sowohl gegen die mit dem Wahlrat getroffene Übereinkunft für die Wahlbeobachtung richte als auch gegen internationales Recht verstoße. Die EU verspiele zum wiederholten Male die Chance, sich als unparteiischer und unabhängiger Akteur zu positionieren. Man fordere die EU und ihre Repräsentanten dazu auf, die Wahlbeobachtungsmission nicht politisch motiviert zu beschädigen.

Der Vorsitzende der Wahlbehörde CNE, Pedro Calzadilla, meint dazu, dass man nicht nur eine Erklärung von der EU zu den Äußerungen Borrells erwarte, sondern auch und vor allem, eine Entschuldigung beim venezolanischen Volk. Welches Land will schon die Anwesenheit einer Beobachtermission erlauben, welche ganz offen einen der politischen Sektoren unterstützen wolle. Pedro Calzadilla betonte nachdrücklich, dass dieses wohl kein einziges Land der Europäischen Union zulassen würde.

Kurz und knackig meinte der venezolanische Parlamentspräsident Jorge Rodriguez:

Wenn die EU nicht in der Lage ist, die Vereinbarung, die Sie selbst mit der Wahlbehörde unterzeichnet hat, mit einem Mindestmaß an Anstand einzuhalten, sollten Sie besser nicht kommen. Es gebe keinen Grund für eine überholte Einmischung.“

Wie ist eure Meinung zur US-Sanktionspolitik gegen Venezuela, zum europäischen Völkermord in Lateinamerika und den venezolanischen Wahlen am 21. November. Ist die EU neutral oder doch nur am Gängelband der USA?



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