Donnerstag, 24. Januar 2019

Indien – 200 Millionen Menschen streiken

Am 8. und am 9. Jänner dieses Jahres haben in Indien 200 Millionen Menschen gestreikt. Es handelte sich dabei, um den größten Streik der Menschheitsgeschichte. Irgendwie seltsam, dass dieses Ereignis in unserem Blätterwald lediglich eine Randnotiz oder gar keine Zeile wert war erwähnt zu werden.

Die indische Regierung hat im Vorfeld der Streiks mit Repressionen gedroht. Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu hatte man erhebliche Lohnkürzungen für Angestellte sowie dem Jobverlust für die Tagelöhner, bei uns nennt man diese fallweise Beschäftigte, angekündigt. Es half alles nichts. 200 Millionen Menschen gingen auf die Straße, um zu streiken.

Inderinnen und Inder arbeiten unter furchtbaren Bedingungen - in Europa würden wir dazu Sklaverei sagen. Wir zucken kurz mit den Achseln, weil wir selbst nicht wissen, wie wir diese Situation ändern könnten oder damit umgehen sollen. Immerhin haben wir den Hauch einer Ahnung wie die Arbeitsbedingungen in Indien aussehen. Wir wissen, dass es Kinderarbeit gibt und diese scheinbar auch notwendig ist, damit die dortigen Familien überhaupt überleben können.

Unglaublich ist es allerdings, dass es kaum ein Medium gab, in welchem über den Widerstand der Bevölkerung berichtet hat. Wollte man uns diese Informationen verschweigen, damit wir uns nicht auf irgendeine Art und Weise mit der indischen Bevölkerung und ihren Anliegen solidarisieren konnten?

In Indien hat an den beiden Streiktagen so gut wie nichts mehr funktioniert. Ein erheblicher Teil der Produktion, das Transportwesen, staatliche Behörden und die Banken standen still. Der Großteil der Proteste richtete sich gegen eine Änderung des Gewerkschaftsgesetzes. Es geht dabei darum, dass in Zukunft Proteste und die Bildung von Arbeiterorganisationen (Gewerkschaften wäre zu viel gesagt) erschwert werden sollen. Die indische Regierung begründete diese Novelle damit, dass man das Wirtschaftswachstums beschleunigen müsse. Die Aktionäre und Firmeninhaben wird’s freuen.

2,6 % der Weltbevölkerung haben gestreikt und die großen Nachrichtenagenturen haben dazu keinerlei Informationen verbreitet. Die Medien sind von diesen Agenturen abhängig, weil sie selbst kaum noch bis gar nicht mehr über eigene Korrespondenten verfügen. Informationen werden von Reuters, Agence France-Presse, Bloomberg News und der TASS zum Thema gemacht, journalistisch aufbereitet und gegen Geld an diverse Medien verkauft.

Nur dann, wenn es für die großen Nachrichtenagenturen von Interesse ist, erfahren wir in unserer „normalen“ Tageszeitung was in der Welt passiert... Wer nicht selbst recherchiert, kennt also immer nur einen Bruchteil der wirklich wichtigen Ereignisse

Neues Deutschland, eine überregionale Abonnement-Tageszeitung mit dem Schwerpunkt auf Ostdeutschland, mit einer Auflage etwa 23.000 Exemplaren, hat bei der dpa nachgefragt, warum man nicht über den Streik in Indien berichtet habe. Als Begründung wurde genannt, dass man die Zahl der Beteiligten nicht verifizieren konnte und weil es zu keinen größeren Ausschreitungen und vermutlich auch keinen Todesfällen gekommen ist. Der Generalstreik sei daher als irrelevant eingestuft worden...

Ich habe noch nicht erlebt, dass die Medien die Anzahl der Demonstranten selbst zählt bzw. schätzt. Üblicherweise orientiert man sich dabei an der von der Polizei und den Organisatoren genannten Zahlen, errechnet daraus einen Mittelwert und fertig.

Was lernen wir also nun vom Streik in Indien? Die Nachrichtenagenturen berichten von jenen Ereignissen, von welchen wir erfahren sollen und wenn es sich nicht um Klatsch & Tratsch bzw. Mord und Totschlag kommt, sinken die Chancen, dass wir davon Kenntnis bekommen, rapide...





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