Mittwoch, 10. Juni 2020

Trotz raschem Lockdown viele Infektionen

In Peru verkündet Präsident Vizcarra bereits am 15. März den nationalen Lockdown. Das überraschte viele, denn zum damaligen Zeitpunkt gab es erst 71 Infizierte. Die Grenzen wurden geschlossen, der Bus- und Flugverkehr eingestellt und die einzige Erlaubnis die Wohnung zu verlassen war der Lebensmitteleinkauf. Eigentlich unglaublich, dass es nunmehr bereits mehr als 170.000 Infizierte gegeben hat, wovon mehr als 4.000 gestorben sind.


Ist es nicht unfassbar, dass gerade jenes Land, welches sich mustergültig verhielt, ein derartiger Hotspot von Erkrankungen wurde? In Lateinamerika gibt es kein anderes Land, welches so viele Tests durchführte wie Peru. „Flattening the Curve“ ist in Peru aber bis zum heutigen Tag nicht gelungen.

Was sind die Gründe für dieses Paradoxum?

„Social Distancing“ funktioniert in Peru nicht, weil hier die Menschen mit vielen Generationen unter einem Dach leben. Hygieneregeln wie das regelmäßige Hände waschen sind gut gemeint, aber in der bitteren Realität leider nicht durchführbar. Es würde einen Wasseranschluss voraussetzen. In Peru verfügt aber lediglich knapp die Hälfte der Bevölkerung über einen Wasseranschluss. Einen Großeinkauf zu tätigen, damit man nicht oft die Wohnung verlassen muss, ist durchaus eine gute Idee. Das Problem ist halt, dass in Peru nur 49 % der Menschen einen Kühlschrank besitzen. Ein sicheres und auf Abstand bedachtes Einkaufen in einem Supermarkt ist für die Mehrheit der Bevölkerung nicht möglich, weil nur die überfüllten Markthallen Lebensmittel anbieten, welche für die Menschen leistbar sind. Die Vertreter der Gesundheitsbehörden haben in derartigen Markthallen herausgefunden, dass dort bis zu 80 % der Verkäufer, mit dem Corona-Virus infiziert waren.

Damit sich die Menschen in Peru überhaupt das Essen leisten können, sind sie auf die Bonuszahlungen des Staates angewiesen. Jede bedürftige Familie – und davon gibt es viele – bekommt 200 €. Es ist halt nur blöd, dass lediglich 38 % der Bevölkerung über ein Bankkonto verfügt. Der Bonus wird allerdings auch in Bar ausbezahlt – in den Banken. Damit die Peruaner*innen ihren Bonus bekommen, stehen sie dicht gedrängt in einer Warteschlange vor der Bank – und das über mehrere Stunden hinweg...

Der nächste Unterschied zu Europa ist, dass 2 von 3 Menschen in einem sehr prekären Arbeitsverhältnis tätig sind. Sie arbeiten gänzlich ohne Vertrag und ohne sozialen oder rechtlichen Schutz. Ein Lockdown bedeutet die sofortige Arbeitslosigkeit. Viele Menschen erhalten, wenn sie nicht in den öffentlichen Registern aufscheinen, gar keine Unterstützung. Dazu zählen auch die 800.000 Venezolaner, welche nach Peru geflüchtet sind. Wie kommen diese Menschen dann zu Geld? Sie verdingen sich ihre Einkünfte als fliegende Händler. Sie arbeiten also auf der Straße oder verrichten Hausarbeiten und pendeln dafür in völlig überfüllten Bussen.

In Peru gibt es eine besonders krass ausgeprägte Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche sich in der Zeit der Pandemie, vor allem im Gesundheitssystem und in der Bildung offenbart. Das Pensionssystem ist zudem in privater Hand und spätestens jetzt ist allen klar geworden, dass dieses Modell nicht krisenfest ist. Immerhin wurde in den letzten Monaten die landesweite Zahl an Krankenhaus- und Intensiv-Betten stark erhöht und im Bildungssektor will man sämtliche Kinder, welche sich im Schulalter befinden mit Tablets versorgen.

Die Rufe nach einer Reichensteuer werden immer lauter und ist nicht mehr nur eine Forderung der Linken. Wenn selbst die Ökonomen des IWF oder der Financial Times eine Beteiligung der „One Percent“ bei der Finanzierung der Krise fordern, dann sagt dies schon einiges über die Situation in Peru aus.

Im nächsten Jahr finden in Peru die Präsidentschaftswahlen statt. Wir werden sehen wohin bis dahin die Reise geht.


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