Kann man es Italien verübeln, dass
es seine Grenzen bzw. seine Häfen schließt?
Donnerstag, 8. August 2019
Die EU und die Migration über das Mittelmeer
Dank
der ehemaligen Kapitänin der Sea-Watch 3, Carola Racketa, hat es die
vielleicht gefährlichste Migrationsroute der Welt – das Mittelmeer
– wieder in die in die Schlagzeilen geschafft. Vor
wenigen Tagen hat Carola Rackete den italienischen Innenminister
verklagt, weil (wie es in der Klage heißt), dieser auf
Twitter und Facebook eine „Botschaft des Hasses“ verbreite.
Carola Racketa galt bereits seit langer Zeit als Lieblingsfeindin des
Innenministers. Dummerweise wurde Racketa zwischenzeitlich zur
Heldin für all jene, welche die Rettung von Migranten auf hoher See
befürworten.
Versuchen wir unsere Gefühle beiseite
zu schieben und blicken nun in die Herkunftsländer der Migranten.
Diese befinden sich zumeist südlich der Sahara, im Nahen Osten und
manchmal auch in Südasien. Es ist unbestritten, dass einige von
ihnen Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind
und andere wiederum nicht. Was sie eint ist, dass sie gute Gründe
haben ihre Heimat zu verlassen. Sie alle durchqueren, mehr oder
weniger gemeinsam, mehrere Länder bis sie mit Libyen jenes Land
erreichen, welches der Hauptausgangspunkt nach Europa ist.
Wenn wir es weiterhin mit kalter Logik
versuchen, dann ist es vermutlich einfacher in Libyen dauerhaften
Frieden zu schaffen, als innerhalb der EU dafür zu sorgen, dass die
Asylwerber auf die Mitgliedsstaaten fair verteilt werden. Eine Wahrheit, welche wir nicht kennen,
die aber im wahrsten Sinne des Wortes „da draussen liegt“ ist die
Wahrscheinlichkeit, dass es bei der Durchquerung der Sahara-Wüste
mehr Tote zu beklagen gibt, als bei der Überquerung des
Mittelmeeres.
Ein Faktum ist, dass für viele
Migranten, welche Libyen erreichen, dieses Land als sehr reich gilt.
Libyen verfügt über die größten Erdölvorkommen Afrikas. Der libysche Staat befindet sich
allerdings seit der Ermordung von Muammar al-Gaddafi im politischen
Chaos. Die Internationale Organisation für
Migration schätzt, dass sich derzeit ca. 660.000 Migranten in Libyen
befinden. Dies bedeutet nicht, dass diese alle nach Europa kommen
wollen. Je nachdem an welchem libyschen Standort sie sich befinden
und welcher Nationalität sie angehören geht es ihnen in Libyen gut
oder schlecht. Beispielsweise bleiben Nordafrikaner oder Menschen aus
dem Nahen Osten sehr gerne in Libyen. Wer hingegen aus den Ländern
südlich der Sahara stammt, leidet unter extremster Diskriminierung,
sowie Ausbeutung und Missbrauch.
Wichtig zu wissen ist auch, dass Libyen
niemals die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat.
Flüchtlinge besitzen in Libyen also keinen Rechtsstatus und können
dort keinen internationalen Schutz beantragen. Migranten ohne
Papiere, können jederzeit und ohne Angabe von Gründen verhaftet
werden. Die lokalen Milizen, welche in ihren
eigenen Gebieten als Polizisten tätig sind betreiben auch
Gefängnisse und dort erpressen sie von den Migranten Geld. Wer nicht bezahlen kann, wird an
Menschenhändler verkauft. Unter den Militärangehörigen
befinden sich auch genügend Personen, welche Staatsgehälter
bekommen und somit direkt oder indirekt von den EU-Missionen
unterstützt werden. Die EU versucht beispielsweise
Grenzschutzbeamte und die libysche Küstenwache auszubilden bzw.
entsprechend auszurüsten.
Seit der Ermordung von Muammar
al-Gaddafi hat die EU enorme Kraftanstrengungen unter-nommen, damit
der Migrationsstrom aus Afrika nach Europa abnimmt. Dafür wird auch
durchaus bewusst eine Verletzung des Völkerrechts in Kauf genommen.Würde es keinen dauerhaften libyschen
Machtkampf zwischen der Regierung der nationalen Einheit (GNA) von
Premierminister Fayez al-Sarraj und seinem Rivalen Khalifa Haftar,
dem Hauptbefehlshaber der Libyschen Nationalarmee (LNA) im Osten des
Landes geben, könnte man diesbezüglich, vermutlich mehr erreichen.
Selbstverständlich ist es erbärmlich,
dass Italien NGOs kriminalisiert, welche die von ihnen geretteten
Migranten an Land bringen will. Trotzdem ist es kein Wunder, dass
Italien seine Grenzen dicht machen will, wenn es innerhalb der EU
keinerlei Solidarität gibt und Italien die ankommenden Flüchtlinge
alleine aufnehmen und versorgen soll. Leere Versprechungen der
Mitgliedsstaaten helfen den Italienern garantiert nicht.
Ein erbärmliches Zeichen der
Uneinigkeit der EU ist auch, dass die international anerkannte GNA
offiziell von der EU und ganz besonders von Italien unterstützt
wird. Das Problem der GNA ist allerdings, dass sie lediglich die
Kontrolle über Tripolis und einige Gebiete im Westen des Landes
haben und nun erscheint auf unserer Bildfläche Frankreich und wir
dürfen uns darüber wundern, warum die Franzosen nicht die GNA,
sondern die Libysche Nationalarmee unterstützt, welche den Osten und
Teile des Südens kontrolliert.
„Eigentlich“ hätte eine geplante
nationale Konferenz zur Organisation von Präsidentschafts- und
Parlamentswahlen stattfinden sollen, um eine politische Lösung in
Libyen zu erreichen, aber nur wenige Tage davor startete die Haftar
(im April 2019) einen Angriff auf Tripolis – nun befindet man sich
in einer Pattsituation...
Von einer ausgeprägten Intelligenz
kann nicht die Rede sein, wenn es Italien und Frankreich nicht
schaffen ihren Einfluss geltend zu machen, um ein Friedensabkommen
zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen. Gäbe es in Libyen
Frieden, könnte die EU die dortige Zivilgesellschaft stärken indem
sie Investitionen tätigt. Mehr Stabilität und Wohlstand wäre
gewiss auch gleich bedeutend mit einem geringeren Migrationsfluss
nach Europa. Libyen war einst bereits unter Muammar al-Gaddafi ein
Zielland für Arbeitsmigranten und könnte dies sehr rasch wieder
werden.
Die derzeitige Handlungsweise der EU,
quasi für jedes einzelne Schiff die an Board befindlichen Migranten
auf jene EU-Mitgliedstaaten zu verteilen, welche gerade dazu Lust
haben ist gelinde gesagt lächerlich.
Das neu gewählte EU-Parlament sollte
sich raschest mit der Thematik – Migration über das Mittelmeer -
auseinandersetzen und Lösungen für diese „Herausforderung“
suchen und finden.
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