Donnerstag, 20. September 2018

Ob Chemnitz oder Köthen – Journalisten sind in Deutschland gefährdet

Es scheint binnen kürzester Zeit salonfähig geworden zu sein, dass es zu Übergriffen gegen Journalisten kommt. Marcus Engert beispielsweise, ist von rechten Demonstranten erkannt und, wie er es nannte, herumgeschubst worden. Sein Vergehen war es, von der Demonstration zu berichten, welche nach dem Tod eines 22-jährigen Deutschen in Köthen stattfand.

Der „taz“-Redakteur Martin Kaul veröffentlichte auf twitter einen Livestream. Er war dabei, als das Ex-NPD-Mitglied David Köckert eine Hetzrede hielt. In seiner von Ausländer-feindlichkeit geprägten Rede sprudelten aus dem Munde des bekannten Thüringer Neonazis Phrasen wie z. B.„Rassenkrieg gegen das deutsche Volk“, „Vermehrungsraten von Ausländern“, „das Schweigen der undeutschen Schweinepresse“ und dann noch die lauthals gestellte Frage: „Wollen wir weiter Schafe sein oder wollen wir zu Wölfen werden und sie zerfetzen?“

Die Videos seiner Reden wurden in den sozialen Medien übrigens tausende Male geklickt, geteilt und kommentiert... Der „taz“- Redakteur Martin Kaul wurde von einigen Personen, welche der Brandrede von David Köckert lauschten, attackiert und bedurfte der Hilfe der anwesenden Polizisten, um aus dier misslichen Lage befreit zu werden.

Es gibt mehrere Videos welche belegen, dass in Chemnitz, am Rande der Kundgebungen, Journalisten, Opfer von Übergriffen wurden. Der Deutsche Journalisten-Verband sprach von „Gewaltexzessen“ und bestätigte, dass mehrere Anzeigen eingereicht wurden. Reporter ohne Grenzen geht davon aus, dass es aufgrund der hohen Anzahl von Augenzeugen-berichten ganz klar sei, dass man für 2018, mit einer deutlichen Zunahme der bestätigten Übergriffe gegen Journalisten rechnen muss.

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass nicht nur die Anzahl der Anfeindungen massiv ansteigt, sondern vor allem die Art und Weise wie diese stattfinden, bereitet große Sorgen.
Auf den Demonstrationen der Rechten, werden in letzter Zeit immer öfter Journalisten, von großen Menschengruppen ins Visier genommen. Sie beschimpfen und bedrängen diese kollektiv. Der Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen, Michael Rediske meint dazu, dass es diese „Dynamik“ in anderen Ländern nicht gibt.

Der Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verband, Hendrik Zörner gibt zu bedenken, dass sowohl in Chemnitz, als auch in Köthen die Journalisten gezielt angegriffen werden. Zitat:Wir haben den Eindruck, dass sich in rechtsextremen Kreisen die Strategie bahnbricht, sich die Journalisten, die zur Berichterstattung bei Demonstrationen da sind, vorzunehmen und mit Gewalt gegen sie vorzugehen. Das ist nicht mehr ein spontaner Wutausbruch, sondern ein gezieltes, abgesprochenes Vorgehen."

Es ist in der rechten Szene durchaus üblich, dass über Journalisten Informationen gesammelt werden. Die bei den Demonstrationen anwesenden Reporter werden fotografiert und gefilmt. Immer wieder berichten die Reporter von diesen Vorgängen. Hendrik Zörner sagt dazu, dass durch die Gewalt gegen Journalisten die Pressefreiheit gefährdet ist.

Die ersten „Erfolge“ dazu haben sich bereits eingestellt. Einige Medien senden ihre Journalisten nicht mehr zu Demonstrationen der Rechten... andere wiederum schicken ihre Reporter nur noch mit Begleitschutz hin...

Der Journalist Jaafer Abdul Karim ist beispielsweise ein gebürtiger Liberier. Er wurde in den letzten Jahren immer wieder von Demonstranten attackiert. Bemerkenswert ist seine Aussage, dass er in den Kriegsgebieten keine Security benötigt – in Berlin allerdings schon... Seine Reportage aus Chemnitz hatte er aus Sicherheitsbedenken abgebrochen.

Die „Deutsche Welle“ Reporterin Linda Vierecke war in Chemnitz ausschließlich mit Sicherheitsleuten unterwegs. Dies ist auch eine Frage des Geldes und wenn es einmal usus ist, dass Journalisten bei einer Berichterstattung von Securitys umgeben sein müssen, damit sie nicht an ihrer Arbeit gehindert werden, dann sagt dies einiges über die derzeitigen Zustände aus...

Wer ist denn in Wirklichkeit dafür verantwortlich, dass Journalisten in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können? Richtig – die Polizei. Ihre Aufgabe ist/wäre es sie zu schützen, damit diese ohne Einschränkung ihrer Tätigkeit nachkommen können. Damit dies geschehen kann, müssen Polizisten auch eine entsprechende Ausbildung bekommen. Sie sind davon in Kenntnis zu setzen, welche Aufgaben und Rechte die Journalisten haben. Der Konter der Polizei ist allerdings immer öfter bereits jetzt, dass ihrer Ansicht nach die Journalisten keine Ahnung haben wo die ihrigen Grenzen sind... Einerseits wollen die Presseleute so nahe wie möglich am Geschehen sein und wenn es dann doch brenzlig wird, dann wird halt eiligst nach der Polizei gerufen...

Der logische Menschenverstand muss halt genutzt werden und dann werden auch die Medienleute den richtigen Zeitpunkt erwischen, um sich nötigenfalls zurück zu ziehen. Polizisten haben es bei jenen Demonstrationen wo es „Eskalationsgefahr“ gibt, nicht leicht jemanden aus einer gefährlichen Situation zu befreien. Dies ist damit begründet, dass aggressive Teilnehmer ihresgleichen schützen, wenn diese dabei sind eine Straftat zu begehen. Es wird beispielsweise eine Art Schutzschirm, um jene Person/Personen gelegt, welche gerade auf einen Gegner einprügeln...

In Chemnitz sind viele Journalisten, aus Sicherheitsgründen, darum gebeten worden, keinesfalls auf ihren privaten Twitteraccounts von den aktuellen Vorfällen zu berichten...

Ist es nicht traurig, was bereits alles versucht wird, um eine faire und neutrale Berichterstattung zu verhindern? Das ist wohl nicht jene Welt, welche wir unseren Kindern hinterlassen wollen...


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