In Peru verkündet Präsident Vizcarra
bereits am 15. März den nationalen Lockdown. Das überraschte viele,
denn zum damaligen Zeitpunkt gab es erst 71 Infizierte. Die Grenzen
wurden geschlossen, der Bus- und Flugverkehr eingestellt und die
einzige Erlaubnis die Wohnung zu verlassen war der
Lebensmitteleinkauf. Eigentlich unglaublich, dass es nunmehr bereits
mehr als 170.000 Infizierte gegeben hat, wovon mehr als 4.000
gestorben sind.
Ist es nicht unfassbar, dass gerade
jenes Land, welches sich mustergültig verhielt, ein derartiger
Hotspot von Erkrankungen wurde? In Lateinamerika gibt es kein anderes
Land, welches so viele Tests durchführte wie Peru. „Flattening the
Curve“ ist in Peru aber bis zum heutigen Tag nicht gelungen.
Was sind die Gründe für dieses
Paradoxum?
„Social Distancing“ funktioniert in
Peru nicht, weil hier die Menschen mit vielen Generationen unter
einem Dach leben. Hygieneregeln wie das regelmäßige Hände waschen
sind gut gemeint, aber in der bitteren Realität leider nicht
durchführbar. Es würde einen Wasseranschluss voraussetzen. In Peru
verfügt aber lediglich knapp die Hälfte der Bevölkerung über
einen Wasseranschluss. Einen Großeinkauf zu tätigen, damit man
nicht oft die Wohnung verlassen muss, ist durchaus eine gute Idee.
Das Problem ist halt, dass in Peru nur 49 % der Menschen einen
Kühlschrank besitzen. Ein sicheres und auf Abstand bedachtes
Einkaufen in einem Supermarkt ist für die Mehrheit der Bevölkerung
nicht möglich, weil nur die überfüllten Markthallen Lebensmittel
anbieten, welche für die Menschen leistbar sind. Die Vertreter der
Gesundheitsbehörden haben in derartigen Markthallen herausgefunden,
dass dort bis zu 80 % der Verkäufer, mit dem Corona-Virus infiziert
waren.
Damit sich die Menschen in Peru
überhaupt das Essen leisten können, sind sie auf die Bonuszahlungen
des Staates angewiesen. Jede bedürftige Familie – und davon gibt
es viele – bekommt 200 €. Es ist halt nur blöd, dass lediglich
38 % der Bevölkerung über ein Bankkonto verfügt. Der Bonus wird
allerdings auch in Bar ausbezahlt – in den Banken. Damit die
Peruaner*innen ihren Bonus bekommen, stehen sie dicht gedrängt in
einer Warteschlange vor der Bank – und das über mehrere Stunden
hinweg...
Der nächste Unterschied zu Europa ist,
dass 2 von 3 Menschen in einem sehr prekären
Arbeitsverhältnis tätig sind. Sie arbeiten gänzlich ohne Vertrag
und ohne sozialen oder rechtlichen Schutz. Ein Lockdown bedeutet die sofortige
Arbeitslosigkeit. Viele Menschen erhalten, wenn sie nicht in den
öffentlichen Registern aufscheinen, gar keine Unterstützung. Dazu
zählen auch die 800.000 Venezolaner, welche nach Peru geflüchtet
sind. Wie kommen diese Menschen dann zu Geld? Sie verdingen sich ihre
Einkünfte als fliegende Händler. Sie arbeiten also auf der Straße
oder verrichten Hausarbeiten und pendeln dafür in völlig
überfüllten Bussen.
In Peru gibt es eine besonders krass
ausgeprägte Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche sich in der Zeit der
Pandemie, vor allem im Gesundheitssystem und in der Bildung
offenbart. Das Pensionssystem ist zudem in privater Hand und
spätestens jetzt ist allen klar geworden, dass dieses Modell nicht
krisenfest ist. Immerhin wurde in den letzten Monaten die landesweite
Zahl an Krankenhaus- und Intensiv-Betten stark erhöht und im
Bildungssektor will man sämtliche Kinder, welche sich im Schulalter
befinden mit Tablets versorgen.
Die Rufe nach einer Reichensteuer werden immer lauter
und ist nicht mehr nur eine Forderung der Linken. Wenn selbst die
Ökonomen des IWF oder der Financial Times eine Beteiligung der „One
Percent“ bei der Finanzierung der Krise fordern, dann sagt dies
schon einiges über die Situation in Peru aus.
Im nächsten Jahr finden in Peru die
Präsidentschaftswahlen statt. Wir werden sehen wohin bis dahin die
Reise geht.
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