Dienstag, 2. Februar 2021

Abschiebungen und Spaziergänge

Beamte der WEGA, einige Hundestaffeln und ein großes Polizeiaufgebot, waren in der Nacht vom 27. auf den 28. Jänner 2021 im Einsatz, um Terroristen zu verhaften – nein falsch... um eine Massendemonstration von Covid-19-Leugnern aufzulösen – nein falsch... um eine Veranstaltung einer Links- oder Rechtsextremen Gruppierung zu beenden – nein, auch falsch. Sie waren im Einsatz, um Kinder abzuschieben und ihre Klassenkolleg*innen daran zu hindern, ihre Demo und Sitzblockade fortzuführen.

Unter den ca. 150 Demonstranten waren einige Politiker*innen der SPÖ, der Neos und auch der Grünen (auf die komme ich später zurück). Das die Polizei nicht gerade zimperlich vorging, um die Sitzblockade aufzulösen und die Jugendlichen mehr als nur unsanft behandelten ist ebenso ein Faktum wie die Tatsache, dass auf Videos zu hören ist, wie einige der Beamten die Abzuschiebenden mit den Worten Kanaken und Tschuschen bedachten.

Ich bin ja sooo froh, dass Innenminister Nehammer sich so um die Einhaltung und Durchsetzung der Gesetze sorgt. Schade, dass sein Apparat allerdings kläglich versagt, wenn es darum geht einen Terroranschlag zu verhindern, zu welchem man im Vorfeld zahlreiche Informationen und Warnungen bekommen hat. Es ist halt auch nicht so einfach, eine Demonstration zu unterbinden, wo tausende oder zehntausende Menschen, alle anderen Mitbürger*innen in Gefahr bringen, weil sie keinen MNS anhaben. Da geht es aber nicht nur darum, dass diese das bei der Demo unterlassen, sondern auch bei der Hin- und Rückfahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Lieber Herr Innenminister! Ich weiß selbstverständlich, dass ein derartiger Polizeieinsatz mit erheblichen Gefahren für die Exekutive verbunden ist, denn wenn man schon für die Abschiebung von Mädchen im Alter von 4, 12 und 14 Jahren, WEGA-Beamte und Hundestaffeln braucht, dann bräuchte man bei einer Covid-19-Demo vermutlich sogar Spezialeinheiten aus ganz Europa.

Anmerkung: Beim Spaziergang von diversen Gegnern der Covid-19-Maßnahmen, hat die Polizei zur Überraschung der Spaziergänger*innen hart durchgegriffen und es gab einige Verhaftungen und zahlreiche Anzeigen.

Das beliebteste Angriffsziel der Hooligans, welche beim Spaziergang dabei waren und eindeutig zur rechten Szene gehören, welche wiederum durch Küssel, Sellner & Co vertreten waren, sind die Journalist*innen gewesen. Kameras aus der Hand treten, diverse Handgreiflichkeiten, Spuck-Attacken und Beschimpfungen gehören auch in Österreich scheinbar zum normalen Demo-Verlauf, wenn Querdenker & Co ihren großen Auftritt haben.

Michael Bonvalot hat übrigens darauf hingewiesen, dass es wohl einmalig in der Geschichte von Demonstrationen ist, dass sich Polizeieinheiten in die Reihen der Demonstranten mischten, um dort friedlich mitzumarschieren. Ob es sich um eine Taktik handelte, damit man bei diversen Vorkommnissen, schnelleren Zugriff auf die Spaziergänger*innen hatte?

Fakt ist, dass sich die Kundgebungsteilnehmer*innen darüber freuten, dass sich die Polizei mitten unter ihnen befand und sie gaben ihrer Freude darüber mit Gejohle und klatschen Ausdruck. An der Spitze der Spaziergänger*innen war die Polizei seltenzu sehen. Ob es an der Angst vor den extrem rechten Fußball-Hooligans lag, welche sich zumeist an der Demonstrationsspitze befanden? Immerhin gibt es zahlreiche Videoaufnahmen zu sehen, wo die Polizei vor den vorrückenden „Spaziergänger*innen“ zurückweicht...

Bei vielen rechten Kundgebungen und Aufmärschen ertönen „Ahu“ Rufe. „Ahu“ befindet sich ebenso oft, auf Bekleidungsmotiven und dient in den sozialen Netzwerken als Begrüßung und Parole. „Ahu“ ist rassistisch/antimuslimische besetzt und ein Bekenntnis zu einem soldatischen Männlichkeitsideal. Der Schrei „Ahu“ geht auf den Film „300“ aus dem Jahr 2007 zurück. Der Film erzählt eine fiktive Version der „Schlacht bei den Thermopylen“, welche ungefähr 480 v. Chr. stattfand. Damals sollen sich 300 Krieger aus Sparta in Griechenland einem vielfach überlegenen persischen Heer entgegengestellt haben. Ihr Schlachtruf im Film ist „Ahu!“. Der Film verknüpft den Mythos des „Opfergangs“ für Volk und Heimat mit weiteren Elementen soldatischer Männlichkeit.

Inspiriert durch „300“ wurden die Krieger Spartas hierzulande für extrem rechte Gruppen wie die Identitäre Bewegung und die Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) zu historischen Bezugsgrößen und werden von ihnen zu Verteidigern eines Europas gegen die „Invasion aus dem Morgenland“ stilisiert.

Diese „Ahu“ Rufe sind z.B. lautstark zu vernehmen, als die Polizei eine Blockade einer handvoll von Antifaschisten auflöste, welche sich den Spaziergänger*innen entgegengestellten.

Zur Klarstellung: Antifaschisten müssen die Straße verlassen, damit Rechtsextreme ihren untersagten Aufmarsch fortsetzen können... finde den Fehler...

Fakt ist, dass es zahlreiche Videoaufnahmen von Attacken der liebevoll genannten Spaziergänger*innen gegen Journalist*innen gibt und die Polizei sich oftmals in der Nähe befand oder/und zumindest gesehen hat. Eingegriffen, um den Opfern zu helfen, wurde selten...

Wir haben ein Problem... das hat auch Innenminister Nehammer sofort erkannt, wenn allerdings auch auf eine sehr eigenartige Weise. Folgende Worte, hat er am Tag nach dem Spaziergang verkündet: „Die rechtsextreme wie auch die linksextreme Szene Österreichs, nutzt die besonderen Herausforderungen der Pandemie, um die rechtsstaatlichen Strukturen auszuhebeln und im Hintergrund ihre Ideologie zu transportieren. Das Ziel dieser Gruppierungen, ist die Schwächung der Demokratie.“ 

Ich will es nicht einmal kommentieren!

Zurück zu den Abschiebungen

Recht muss Recht bleiben und darauf haben Sie lieber Herr Innenminister bestanden. Sie haben Herrn Kogler sogar versprochen, dass Sie sich das noch einmal anschauen, bevor die Abschiebung erfolgt. Sie haben ihren Koalitionspartner jedenfalls völlig bewusst an die Wand fahren lassen – aber Respekt! Es ist ihnen damit gelungen von einigen Unannehmlichkeiten für die ÖVP abzulenken. Sebastian Kurz wird sich darüber bestimmt sehr gefreut haben und erkenntlich zeigen.

Recht muss Recht bleiben... dazu fällt mir in diesem Zusammenhang der Twitter-Beitrag von Richter Oliver Scheiber ein: „Es bräuchte nur ein paar Zeilen Gesetzestext, um die Abschiebung in Österreich aufgewachsener Kinder in Zukunft zu verhindern. Diese Zeilen könnten als Initiativantrag von Abgeordneten noch heute im Parlament eingebracht werden. Rechtlich sind die Ausführungen des Innenministers leider in absurder Weise unrichtig. Nicht abschieben wäre selbstverständlich kein Amtsmissbrauch gewesen. Ich frage mich, wie sich die Verantwortungsträger in den Spiegel schauen können. Was von Seiten des BMI passiert, ist zumindest unbewusst Desinformation. Natürlich hätte es für die Behörden andere Möglichkeiten gegeben als abzuschieben. Es wäre ja schlimm, wenn es anders wäre. Im Zusammenhang mit Tina ist „gut integriert“ gut gemeint. Aber wir sollten aufhören, Integration als Maßstab an Kinder anzulegen, die in Österreich geboren sind. Die abgeschobenen Mädchen waren Wiener (nö.) Kinder. Die Begriffe Integration und Parallelgesellschaft werden zunehmend verwendet, um zwei Klassen von Menschen zu schaffen, schon bei Kindern. Dabei ist es einfach so: von den Kindern, die hier geboren sind und hier aufwachsen, gibt es manche mit österr, manche mit anderer Staatsbürgerschaft. Das ist der ganze Unterschied. Gehen wir doch dazu über, Menschen daran zu messen, ob sie sich an die Rechtsordnung halten. Das ist die Grundordnung unserer Gesellschaft. Alles andere sind überkommene Konzepte, um zu trennen und verschiedene Klassen von Menschen zu schaffen. Das sollten wir uns in Österreich nicht erlauben, wir wollen ja auch nicht in anderen Ländern als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Ich würde vorschlagen, die gestern abgeschobenen Kinder für den Schulstart nach den Semesterferien zurückzuholen.

Das geht auf Basis der geltenden Gesetze, u selbst eine Gesetzesänderung geht sich in ein paar Tagen gut aus, es hat bei dringenden COVID-Gesetzen auch funktioniert. da wurden Kinder vom obsorgeberechtigten Vater getrennt, das kann doch kein Ziel der Republik Österreich sein. Wenn wir die nächsten Menschenrechtspreise vergeben, dann werden die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Stubenbastei und ihr bemerkenswerter Sprecher Theo Haas jedenfalls in der engeren Wahl sein. Sie zeigen, dass die Ablehnung dieser Abschiebungen keine parteipolitische Frage sind, sondern eine der Menschlichkeit. Und sie leben Solidarität und Zivilcourage.“

Im Zusammenhang mit den Schüler*innen möchte ich darauf hinweisen, dass diesen Preis auch die Schüler*innen der HLW 10 Reumannplatz verdient hätten. Sie haben sich genauso tatkräftig für Sona eingesetzt, aber medial kaum Aufmerksamkeit erhalten.

Die Grünen sind in dieser Bundesregierung entweder heillos überfordert, oder in eine derartige Abhängigkeit von Sebastian Kurz & Co geschlittert, dass einem schlecht wird. Es ist ja wirklich lieb, wenn Vizekanzler Kogler meint, dass Innenminister Nehammer ihm zugesichert habe, die bevorstehenden Abschiebungen noch einmal zu überprüfen.

Lieber Werner! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die ÖVP sich diese Chance der medialen Ablenkung entgehen lässt, wenn sie derzeit ein paar Problemchen hat, von welchen man die Bevölkerung ablenken muss. Die Grünen werden seit Monaten von der ÖVP, mit dem Nasenring herumgeführt und ihr spielt da auch noch mit. Ihr habt nicht einmal den Funken einer Durchsetzungskraft im humanitären Bereich, welches einer der wichtigsten Punkte ist, warum euch Menschen gewählt haben.

Ja ich weiß, dass ihr diese Umfragen noch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Auftrag gegeben habt, um herauszufinden, ob eure Wähler*innen es verzeihen würden, wenn ihr bezüglich der Asylpolitik, in einer Koalition mit der ÖVP Abstriche machen müsstet, so lange ihr beim Klima- und Umweltschutz große Fortschritte erzielt und da habt ihr eine enorme Zustimmung dafür bekommen.

Ihr solltet aber nicht vergessen, dass ihr einen großen Teil eures Wahlerfolg bei den Nationalratswahlen, der Fridays for Future Bewegung zu verdanken habt und so leid es mir tut, aber auch in diesem Bereich habt ihr keine großen Erfolge vorzuweisen. Das 1-2-3 Ticket ist derzeit nur Stückwerk und ob es die gewünschten Ziele erreicht, wird sich erst weisen. Es klingt geradezu wehleidig, wenn sich Grüne Mandatare darüber beschweren, dass die Bevölkerung und die Medien, im Bezug auf die Abschiebungen so schlecht über die Grünen reden und schreiben, wo doch zu einem Großteil die ÖVP für diese Vorgehensweise verantwortlich ist.

Ja, es stimmt! Ihr vergesst aber dabei, dass sich die Bevölkerung und die Medien, von der ÖVP nichts anderes erwartet! Die Menschen wissen, dass die ÖVP jenes Klientel befriedigen will, welches einst bei der FPÖ und Herrn Strache zu finden war. Die Menschen nehmen gar nicht an, dass die ÖVP unter einem Kanzler Kurz, noch irgendwelche christliche, soziale Werte vertritt. Ihr seid es, welche für diesen Bereich zuständig seid und bitte kommt nicht mit der Argumentation, dass unter einer ÖVP/FPÖ Bundesregierung alles viel schlimmer wäre.

Aus den Lagern von Moria und Lesbos kam keine einzige Frau oder auch nur ein Kind nach Österreich. Abschiebungen von Kindern, welche in Österreich geboren wurden, könnt ihr auch nicht verhindern. Dieses Resultat könnte eine FPÖ mit Kickl und Co ebenso erzielen. Der Unterschied wäre nur, dass die Argumentation, welche zu diesem Ergebnis führt, eine andere wäre.

Ein derartiges Versagen bei diesen Themen führt dazu, dass viele Stammwähler*innen, bei der nächsten Nationalratswahl, ganz gewiss nicht mehr „Die Grünen“ wählen werden und es durchaus passieren kann, dass ihr nach der nächsten Nationalratswahl, nicht mehr im Nationalrat vertreten seid.

Mir fallen in der Grünen Partei derzeit nur zwei Personen ein, welche sich immer noch in den Spiegel blicken können und ihren Wählerauftrag ernst nehmen.

Es handelt sich dabei um die Nationalratsabgeordnete Eva Ernst-Dziedzic, welche gleich einmal als Stellvertreterin von Sigrid Maurer abgesägt wurde, weil sie sich wohl zu sehr für die Schutzsuchenden in Moria und Lesbos einsetzt... das kommt in der ÖVP gar nicht gut an und deshalb muss man der ÖVP halt zeigen, dass man selbst auch nicht glücklich über ihr Engagement ist, weil dieses ja den Koalitionsfrieden gefährdet.

Die andere Person, welche ich als Politikerin mit Herz und Hirn bezeichnen will, ist die Landtagsabgeordnete und Gemeinderätin Berivan Aslan. Seit Jahren setzt sie sich für die Presse- und Meinungsfreiheit ein und engagiert sich für Minderheiten und gegen Rassismus. Seit vier Monaten befindet sich die couragierte Politikerin unter Polizeischutz.

Gäbe es in der Grünen Partei mehr solcher Abgeordnete, dann müsste man sich um die Zukunft dieser Partei keine Sorgen machen.



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