Ist es ein mutiger oder ein dummer Schritt? Die
mexikanische Regierung hat zum 18. Mai mit einer schrittweisen
Rücknahme der Einschränkungen begonnen, damit die Wirtschaft wieder
hochgefahren werden kann. Es ist deshalb so eine wahnwitzige Entscheidung gewesen,
weil gerade in dieser Zeit die Zahl an Todesfällen und
Neuinfektionen stark gestiegen ist. Am 20. Mai wurde beispielsweise
der Höchstwert an Corona-Sterbefällen erreicht. 400 Todesopfer
waren an diesem Tag zu beklagen. Derzeit kommen täglich 2.000 neue
Infektionen hinzu. In der Corona-Statistik scheinen allerdings
lediglich die zuvor positiv getesteten Toten auf, weshalb die
Erfassung nicht vollständig ist. Noch immer werden in Mexiko relativ
wenige Tests vorgenommen. Mir fällt eigentlich weltweit kein Land
ein, welches eine ausreichende Anzahl von Tests durchführt..
In Mexiko hat man vor wenigen Wochen noch von 6.000 –
8.000 Opfern des Corona-Virus, als best case Szenario gesprochen. Am
20. Mai waren bereits 6.090 Corona-Tote zu beklagen und deshalb wird
das oben erwähnte best case Szenario nicht mehr zu erreichen sein. Im Großraum Mexiko-City wird es noch länger dauern,
bis die Ampelfarbe für die Lockerungsmaßnahmen auf grün wechselt.
Warum ich eine Ampelfarbe erwähne? Weil in Mexiko ein
rot-orange-gelb-grünes Ampelsystem erschaffen wurde, welches für
die jeweiligen Schritte der Lockerungsmaßnahmen steht.In
Mexiko-City wird die Ampel bis mindestens den 15. Juni auf Rot stehen
bleiben.
Interessant ist, dass in vielen Bundesstaaten und
Landkreisen, die Schulen am 1. Juni wieder öffnen dürfen und die
Kinder somit wieder in den Klassenräumen unterrichtet werden können.
Die Wiederaufnahme des Schulunterrichts stößt auf massiven
Widerstand und wird vermutlich nicht stattfinden. Gut ist, dass das mexikanische Gesundheitssystem, trotz
der steigenden Auslastung der Krankenhäuser, bisher nicht kollabiert
ist. Der Nachschub von Beatmungsgeräten und von Schutzkleidung,
kommt zwar schleppend, aber doch voran. Der langsame Ausbau der
Bettenkapazität könnte sich allerdings schon bald rächen. Wenn der
Trend der letzten Tage anhält, dann wird es in Mexiko-City, bereits
in Kürze, zu einem Mangel an Spitalsbetten kommen.
Von den insgesamt 56.600 Infizierten (das ist der Stand
vom 20. Mai), stammen ca. 20 % aus dem Gesundheitssektor. Das große Problem im Gesundheitsbereich Mexikos ist,
dass eine Vielzahl der dort tätigen Menschen, aufgrund ihres Alters
und von Vorerkrankungen der Risikogruppe angehören und nicht zur
Arbeit erscheinen dürfen. Zusätzlich sind viele der Menschen aus
dem Gesundheitsbereich mit dem Virus infiziert worden. Damit sich die Situation in den Krankenhäusern rasch
verbessert, wurden tausende neue Ärzt*innen und Pfleger*innen
eingestellt. Warum es schwierig ist, Menschen für einen Job im
Krankenhaus zu begeistern, soll euch folgendes Beispiel zeigen: Die
nunmehr ausgeschriebenen Stellen mit dem Titel: „Sofortige
Anstellung“ von Allgemeinärzt*innen zeigen das exorbitante
Missverhältnis zwischen dem Risiko und der Bezahlung. Für einen
Vollzeitjob werden 17.000 Pesos geboten. Das entspricht weniger als
700 €. Wenn hingegen ein Arzt in einem Privatkrankenhaus von
Mexiko-City arbeitet, verdient er, bei einer einzigen
Blinddarm-Operation mehr...
Was glaubt ihr? Welche
Bevölkerungsschicht ist am häufigsten unter den mexikanischen
Todesopfern zu finden? Im nordmexikanischen Bundesstaat Baja
California, sind bis zum 16. Mai, 519 Covic-19 Tote zu
beklagen. 432 von ihnen, waren in der Maquila-Industrie tätig. Es
handelt sich dabei zumeist um Teilfertigungsbetriebe, welche für den
US-Markt produzieren. Problematisch und verantwortungslos ist, dass
die USA Druck ausübt, damit die Betriebe aufgrund von Überlegungen
zur Gesundheitsproblematik nicht geschlossen werden. US-Botschafter Christopher Landau hat
auf Twitter dazu aufgerufen die Versorgungsketten intakt zu halten.
„Schließungen aufgrund des Corona-Virus können den Lieferfluss
von Teilfertigungsstücken und Produkten schädigen, welche an
Unternehmen der Nordamerikanischen Freihandelszone gehen. Auch die
wirtschaftliche Zerstörung bedroht die Gesundheit“, verkündete
er auf Twitter. Das alles führt dazu, dass die
Unternehmer*innen ihre Arbeiter*innen vor die absolut „freie Wahl“
stellen, entweder am Arbeitsplatz zu erscheinen oder entlassen zu
werden.
Ihr wollt wissen, wie das Virus in
Mexiko eingeschleppt wurde? Durch jenen Teil der mexikanischen Elite,
welcher sich im März, einen Skiurlaub in Vail (US-Bundesstaat
Colorado) gönnte. In Mexiko gibt es zahlreiche Aufrufe zu
Covid-19-Ansteckungspartys und zur Missachtung von
Vorsichtsmaßnahmen. Dummerweise geschieht dies zumeist in jenen
Ballungszentren, wo sich der Virus schon bisher sehr stark vermehrt
hat. Der mexikanische Krimiautor und Schriftsteller Elmer Mendoza hat
dieses Verhalten seiner Landsleute folgendermaßen kommentiert: „Wie
ist einem Land von Selbstmördern zu helfen?“
Wisst ihr noch, was in der Lombardei
zur massiven Ausbreitung des Corona-Virus geführt hat? Es war das
Bestreben die Firmen weiterproduzieren zu lassen. Die Lombardei
könnte sich in den Maquila-Betrieben, an der Grenze zwischen Mexiko
und den U.S.A. wiederholen...
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