Dienstag, 26. Mai 2020

Covid-19 – die Auswirkungen auf Mexiko

Ist es ein mutiger oder ein dummer Schritt? Die mexikanische Regierung hat zum 18. Mai mit einer schrittweisen Rücknahme der Einschränkungen begonnen, damit die Wirtschaft wieder hochgefahren werden kann. Es ist deshalb so eine wahnwitzige Entscheidung gewesen, weil gerade in dieser Zeit die Zahl an Todesfällen und Neuinfektionen stark gestiegen ist. Am 20. Mai wurde beispielsweise der Höchstwert an Corona-Sterbefällen erreicht. 400 Todesopfer waren an diesem Tag zu beklagen. Derzeit kommen täglich 2.000 neue Infektionen hinzu. In der Corona-Statistik scheinen allerdings lediglich die zuvor positiv getesteten Toten auf, weshalb die Erfassung nicht vollständig ist. Noch immer werden in Mexiko relativ wenige Tests vorgenommen. Mir fällt eigentlich weltweit kein Land ein, welches eine ausreichende Anzahl von Tests durchführt..
In Mexiko hat man vor wenigen Wochen noch von 6.000 – 8.000 Opfern des Corona-Virus, als best case Szenario gesprochen. Am 20. Mai waren bereits 6.090 Corona-Tote zu beklagen und deshalb wird das oben erwähnte best case Szenario nicht mehr zu erreichen sein. Im Großraum Mexiko-City wird es noch länger dauern, bis die Ampelfarbe für die Lockerungsmaßnahmen auf grün wechselt. Warum ich eine Ampelfarbe erwähne? Weil in Mexiko ein rot-orange-gelb-grünes Ampelsystem erschaffen wurde, welches für die jeweiligen Schritte der Lockerungsmaßnahmen steht.In Mexiko-City wird die Ampel bis mindestens den 15. Juni auf Rot stehen bleiben.

Interessant ist, dass in vielen Bundesstaaten und Landkreisen, die Schulen am 1. Juni wieder öffnen dürfen und die Kinder somit wieder in den Klassenräumen unterrichtet werden können. Die Wiederaufnahme des Schulunterrichts stößt auf massiven Widerstand und wird vermutlich nicht stattfinden. Gut ist, dass das mexikanische Gesundheitssystem, trotz der steigenden Auslastung der Krankenhäuser, bisher nicht kollabiert ist. Der Nachschub von Beatmungsgeräten und von Schutzkleidung, kommt zwar schleppend, aber doch voran. Der langsame Ausbau der Bettenkapazität könnte sich allerdings schon bald rächen. Wenn der Trend der letzten Tage anhält, dann wird es in Mexiko-City, bereits in Kürze, zu einem Mangel an Spitalsbetten kommen.
 
Von den insgesamt 56.600 Infizierten (das ist der Stand vom 20. Mai), stammen ca. 20 % aus dem Gesundheitssektor. Das große Problem im Gesundheitsbereich Mexikos ist, dass eine Vielzahl der dort tätigen Menschen, aufgrund ihres Alters und von Vorerkrankungen der Risikogruppe angehören und nicht zur Arbeit erscheinen dürfen. Zusätzlich sind viele der Menschen aus dem Gesundheitsbereich mit dem Virus infiziert worden. Damit sich die Situation in den Krankenhäusern rasch verbessert, wurden tausende neue Ärzt*innen und Pfleger*innen eingestellt. Warum es schwierig ist, Menschen für einen Job im Krankenhaus zu begeistern, soll euch folgendes Beispiel zeigen: Die nunmehr ausgeschriebenen Stellen mit dem Titel: „Sofortige Anstellung“ von Allgemeinärzt*innen zeigen das exorbitante Missverhältnis zwischen dem Risiko und der Bezahlung. Für einen Vollzeitjob werden 17.000 Pesos geboten. Das entspricht weniger als 700 €. Wenn hingegen ein Arzt in einem Privatkrankenhaus von Mexiko-City arbeitet, verdient er, bei einer einzigen Blinddarm-Operation mehr...

Was glaubt ihr? Welche Bevölkerungsschicht ist am häufigsten unter den mexikanischen Todesopfern zu finden? Im nordmexikanischen Bundesstaat Baja California, sind bis zum 16. Mai, 519 Covic-19 Tote zu beklagen. 432 von ihnen, waren in der Maquila-Industrie tätig. Es handelt sich dabei zumeist um Teilfertigungsbetriebe, welche für den US-Markt produzieren. Problematisch und verantwortungslos ist, dass die USA Druck ausübt, damit die Betriebe aufgrund von Überlegungen zur Gesundheitsproblematik nicht geschlossen werden. US-Botschafter Christopher Landau hat auf Twitter dazu aufgerufen die Versorgungsketten intakt zu halten. „Schließungen aufgrund des Corona-Virus können den Lieferfluss von Teilfertigungsstücken und Produkten schädigen, welche an Unternehmen der Nordamerikanischen Freihandelszone gehen. Auch die wirtschaftliche Zerstörung bedroht die Gesundheit“, verkündete er auf Twitter. Das alles führt dazu, dass die Unternehmer*innen ihre Arbeiter*innen vor die absolut „freie Wahl“ stellen, entweder am Arbeitsplatz zu erscheinen oder entlassen zu werden. 

Ihr wollt wissen, wie das Virus in Mexiko eingeschleppt wurde? Durch jenen Teil der mexikanischen Elite, welcher sich im März, einen Skiurlaub in Vail (US-Bundesstaat Colorado) gönnte. In Mexiko gibt es zahlreiche Aufrufe zu Covid-19-Ansteckungspartys und zur Missachtung von Vorsichtsmaßnahmen. Dummerweise geschieht dies zumeist in jenen Ballungszentren, wo sich der Virus schon bisher sehr stark vermehrt hat. Der mexikanische Krimiautor und Schriftsteller Elmer Mendoza hat dieses Verhalten seiner Landsleute folgendermaßen kommentiert: „Wie ist einem Land von Selbstmördern zu helfen?“

Wisst ihr noch, was in der Lombardei zur massiven Ausbreitung des Corona-Virus geführt hat? Es war das Bestreben die Firmen weiterproduzieren zu lassen. Die Lombardei könnte sich in den Maquila-Betrieben, an der Grenze zwischen Mexiko und den U.S.A. wiederholen...

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